Die glatte, annähernd haarlose Körperoberfläche von Flusspferden und Walen hat einige Gemeinsamkeiten, entwickelt hat sich die Haut der beiden Arten trotzdem völlig unabhängig voneinander. Diese auf Genomanalysen und Gewebeuntersuchungen basierende neue Erkenntnis kam etwas überraschend, denn bisher hatte man gedacht, die ans Wasserleben angepasste Haut dieser Säugetiere gehe auf einen gemeinsamen amphibischen Säuger zurück. Die nun im Fachjournal "Current Biology" veröffentlichte Studie widerspricht jedoch dieser Annahme. Sie legt vielmehr nahe, dass ihr letzter gemeinsamer Vorfahre ein Landbewohner war.

Keine Zwischenstufe

"Wie Säugetiere das Festland verließen, um im Wasser zu leben, ist eine der faszinierendsten Geschichten der Evolution – vielleicht nur übertroffen von der Evolution des Fliegens", sagt John Gatesy, leitender Forscher am American Museum of Natural History in New York. "Die Vorfahren der amphibischen Flusspferde wurden lange als Zwischenstufe in der Entwicklung wasserlebender Säugetiere betrachtet. Doch unsere Erkenntnisse widersprechen diesem Dogma."

Delfine (oben), Wale und Flusspferde (unten) sind einander die nächsten lebenden Verwandten. Genetische Studien geben nun Aufschluss über den Vorfahren der wasserlebenden Säugetiere (Mitte: Illustration eines Vorfahren von Walen und Delfinen).
Illustr.: Carl Buell

Die Studie bestätigt den gemeinsamen Vorfahren der Flusspferde und Wale, deutet aber auf einen Landbewohner hin, der vor etwa 55 Millionen Jahren lebte. Wie, wann und ob der Urahne ins Wasser ging, darüber diskutieren Forscher hingegen noch. "Die einfachste Hypothese ist, dass der Vorfahre von Flusspferden und Walen bereits amphibisch war", sagt Mark Springer von der University of California in Riverside. "Aber die Evolution nimmt nicht immer den kürzesten Weg."

Die Erkenntnisse des deutsch-amerikanischen Teams basieren auf Untersuchungen der Haut von Flusspferden sowie Vertretern der Ordnung der Wale (Cetacea). Außerdem analysierten sie die DNA der Säuger, um für die Haut zuständige Gene zu finden und zu vergleichen. Dabei sequenzierten sie erstmals die gesamte Erbinformation des Zwergflusspferdes (Choeropsis liberiensis), einer der zwei noch lebenden Arten aus der Familie der Flusspferde.

Wissenschafter haben erstmals das gesamte Erbgut des Zwergflusspferdes (Choeropsis liberiensis) entschlüsselt.
Foto: Zoo Duisburg

Unabhängig entstanden

"Die molekularen Signaturen belegen, dass sich die Merkmale ‚aquatischer‘ Haut, die wir bei Flusspferden und Walen finden, unabhängig voneinander entwickelt haben", sagt Evolutionsgenomiker Michael Hiller vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (Senckenberg in Frankfurt). "Die DNA verrät uns zudem: Die zugrundeliegenden Gene haben sich in der Wal-Stammlinie viel früher verändert als in der Flusspferd-Stammlinie." Wal-Vorfahren haben also viel früher angefangen, sich ans Wasserleben anzupassen – im Hinblick auf ihre Haut.

"Die Flusspferd-Linie zeigt völlig andere Mutationen beim Ausschalten der Hautgene als die Cetacea-Linie", sagt Studienleiter Springer. Trotz unzähliger Mutationen tauchte keine einzige in beiden Gruppen auf. "Gäbe es einen gemeinsamen amphibischen oder aquatischen Vorfahren, hätten wir einige Übereinstimmungen finden müssen." (red, 7.4.2021)