Wenn man auf der Suche nach drahtlosen Ohrhörern ist, kann man für 40 Euro kaum mehr bekommen, als die Hitune True Wireless des chinesischen Herstellers Ugreen bieten – zumindest auf dem Spezifikationszettel. Regenfest, lange Akkulaufzeit, Noise Cancelling und aptX-Support bei grandiosem Klang sind durchaus gewichtige Argumente. Die Kundschaft beim Onlinehändler Amazon scheint auch begeistert zu sein, denn der Schnitt von 5.800 Wertungen liegt bei stolzen 4,5 von 5 Sternen.

Doch das Erlebnis im STANDARD-Test lässt zumindest leichte Zweifel ob der Legitimität all dieser Kundenrezensionen aufkommen. Denn viele der Werbeversprechen halten in der Praxis ganz einfach nicht.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Dabei ist der Ersteindruck gar nicht schlecht. Die Hörer kommen mit Ersatz-Silikonstöpseln und einer Ladehülle mit USB-C-Anschluss nebst beigelegtem Kabel. Die Verarbeitung des Gehäuses ist der Preisklasse angemessen, und der Magnetverschluss hält fest genug. Die Hörer selbst präsentieren sich in sehr generischer Ästhetik, fallen damit aber auch nicht störend auf. Am Ende zählen ohnehin die inneren Werte.

Im Ohr sitzen die Hitunes, nach Durchprobieren der Stöpsel, gut. Nicht unbedingt "workout-tauglich gut" oder mit "unvergleichlichem Tragekomfort" (Zitat Ugreen), aber zumindest so, dass man sich beim Spazieren und Joggen nicht ständig Sorgen machen müsste, dass sie sich spontan Richtung Erdmittelpunkt verabschieden.

Auch die Inbetriebnahme und grundlegende Bedienung (Anrufannahme, Stopp, Fortsetzen und Springen in der Musikwiedergabe) ist nach Einprägung der Klickmuster für die Buttons auf der Außenseite ausreichend einfach. Gerade diese Bedienart ist es allerdings, die dann den guten Sitz der Hörer potenziell wieder gefährdet, denn die Tasten verlangen nach etwas festerer Betätigung.

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Das wäre ebenfalls noch verschmerzbar, sofern man nicht ständig Bedarf hat, diese Steuerung zu nutzen. Es ist die Klangqualität, wo diese Ohrhörer leider klar enttäuschen. Als "ausgewogen" mit "dynamischem Bass" bewirbt der Hersteller selbige. Die Realität ist eine andere. Dem Bass fehlt ein wahrnehmbarer "Wumms", stattdessen legt er sich, bildlich gesprochen, wie ein Schleier aus tiefen Frequenzen über Lieder. Mitteltöne klingen solide, Höhen gehen tendenziell unter. In Summe ergibt sich damit ein Klangbild, das an Deutlichkeit vermissen lässt.

Für Hörer in dieser Preisregion ist das kein Totalversagen, ein vergleichbares Erlebnis gibt es aber auch schon für 15 Euro weniger, wie 2019 etwa ein STANDARD-Test der Goldenfield X18 zeigte.

Der Mehrwert, den die Ugreen-Hörer im Vergleich bieten, ist Unterstützung für den aptX-Codec und Telefonie mit Stereo-Wiedergabe und passabler Sprachqualität in beide Richtungen. Von der aktiven Störgeräuschunterdrückung ist allerdings wenig zu merken. Schon etwas lautere Hintergrundgeräusche kommen beim Gegenüber ungefiltert an. Und dass Umgebungslärm für den Träger zumindest mittelmäßig gedämpft wird, ist mehr dem guten Halt in Verbindung mit den Silikonstöpseln zu verdanken denn softwaretechnischen Maßnahmen.

Positiv zu erwähnen ist die passable Reichweite des Bluetooth-5.0-Signals. Auch die angegebene 27-Stunden-Gesamtlaufzeit unter Verwendung des 300-mAh-Akkus im Ladegehäuse scheint nicht machbar, mit geschätzt 20 Stunden ist man aber dennoch gut unterwegs. Neun Stunden Akkulaufzeit für die Kopfhörer selber ist allerdings eine Angabe, die nicht realistisch ist. Je nach Intensität der Nutzung ist in der Regel nach spätestens vier Stunden Schluss. Möglicherweise hat der Hersteller einfach die Laufzeit der beiden Kopfhörer einzeln addiert, zumal sie sich auch einzeln im Monobetrieb nutzen lassen.

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Fazit: Chaos im Billigsegment

Es gibt um 40 Euro durchaus schlechtere Wireless-Ohrhörer als die Ugreen Hitune TWS. Es gibt aber auch welche, die bei der "Kernkompetenz" Klang ebenbürtig sind und weniger kosten. Trotz übertriebener Herstellerangaben bleiben in Summe gute Telefoniequalität und Akkuleistung bei solider Ergonomie, während das beworbene Noise Cancelling nicht vorhanden zu sein scheint.

Damit offenbaren die Hitunes Probleme, die im Billigbereich von 20 bis rund 50 Euro immer wieder anzutreffen sind. Die Klangqualität wird gern blumig in den Himmel gelobt, doch um diese Beträge ist schlicht kein Konkurrent für Apples Airpods, die Samsungs Galaxy Buds oder diverse Produkte von Firmen wie Sony und Sennheiser zu erwarten.

Zu erwarten sind dominierende Mitteltöne, während Höhen gerne verschluckt werden und Bässe entweder schwach oder überbetont sind. Dazu kommen übertriebene Angaben und Features mit "Highend"-Flair wie aktive Geräuschunterdrückung, die nicht ordentlich implementiert sind und somit keinen Mehrwert bringen.

Für Kunden kreiert das eine unbefriedigende Situation. Denn das Angebot an günstigen Wireless-Ohrhörern ist unüberschaubar groß, ein Gutteil stammt aber von unbekannten chinesischen Marken. Und auch so manches westliche Unternehmen bringt mitunter fernöstliche Whitelabel-Produkte mit dem eigenen Firmenstempel drauf in Umlauf, um am Kuchen mitzunaschen. Sich als interessierter Käufer vorab eine Meinung zu bilden fällt schwer, denn Rezensionen von Geräten der unteren Preisklasse sind nicht oft zu finden, meist auf bekannte Marken beschränkt, während auf Kundenbewertungen bei Amazon und Co nicht unbedingt Verlass ist. (Georg Pichler, 11.4.2021)