In Europa ist, wie wir heute wissen, bei der Beschaffung der Impfstoffe einiges falsch gelaufen. Dafür hat sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehrfach einigermaßen zerknirscht entschuldigt: Die EU-Verhandler waren im Vergleich zu anderen Ländern relativ spät dran und verteilten das Risiko relativ gleichmäßig auf mehrere Anbieter. Vor allem aber besserten sie auch dann kaum nach, als sich längst abzeichnete, dass etwa der Impfstoff von Astra Zeneca in Sachen Wirksamkeit und Zulassungsgeschwindigkeit gegenüber den mRNA-Impfstoffen ins Hintertreffen geriet.

In Europa ist bei der Beschaffung der Impfstoffe einiges falsch gelaufen.
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Das führte unter anderem dazu, dass heute Großbritannien, Israel oder die USA den 27 verbliebenen EU-Ländern beim Durchimpfen um Wochen, wenn nicht Monate voraus sind. Das wird jedem einzelnen EU-Mitgliedsstaat zusätzliche Euro-Milliarden kosten. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO kritisierte die Impfkampagne in Europa vor wenigen Tagen als "inakzeptabel langsam".

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz übte sich derweil in einer "positiveren Rahmung" der Impfstoffversorgungsknappheit: Er versprach allen Impfwilligen zumindest den ersten Stich bis Anfang Juli – was besser klingt, als es ist. Denn im internen EU-Vergleich droht Österreich in den nächsten drei Monaten wegen einer falschen Bestellpolitik auf die hintersten Ränge zurückzufallen. Dafür wäre eine Entschuldigung des Kanzlers ähnlich jener der EU-Kommissionspräsidentin eigentlich angebrachter gewesen als sein inhaltsleeres Versprechen.

Problemfall

Zwar werden auch wir in den nächsten Wochen – Stichwort Ketchup-Flasche – vom absehbaren raschen Anstieg der Impfstoffmengen, die an die EU geliefert werden, profitieren. Doch dummerweise hat die österreichische Regierung im Rahmen ihrer eigenen Bestellmöglichkeiten innerhalb der EU auf die falschen Pferde gesetzt, wie man heute weiß: Das Vakzin von Astra Zeneca, von dem Österreich besonders viel bestellte, wurde sowohl bei der Sicherheit als vor allem auch bei der Verfügbarkeit zum Problemfall.

Dagegen schöpften wir nur 91,9 Prozent der möglichen Biontech/Pfizer-Bestellmenge aus, und ausgerechnet dieser Impfstoff ist nicht nur der wirksamste, sondern auch jener, der am zuverlässigsten produziert und ausgeliefert wird. Im zweiten Quartal wird aber vor allem ein weiterer grober Schnitzer der österreichischen Bestellpolitik schlagend: Ab 19. April kommt nämlich auch der vierte von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson in der EU zur Verimpfung. Dieses Vakzin hat den großen Vorteil, dass eine einzige Impfung reicht, um einen guten Immunschutz zu haben.

Österreich hat in der falschen Annahme, dass dieser Impfstoff lange nicht zur Verfügung stehen würde, nur 63 Prozent der möglichen Menge bestellt. Nach vorläufigen Berechnungen lässt sich Österreich damit in den nächsten 100 Tagen die Vollimmunisierung von mehr als 330.000 Personen entgehen. Während laut EU-Berechnungen die Dänen mit ihren klug bestellten Impfstoffmengen bis Ende Juni voraussichtlich fast 80 Prozent ihrer Bevölkerung vollimmunisieren können, sind es in Österreich gerade einmal knappe 51 Prozent. Und damit landet das einmal mehr "frugale" Österreich unter den 27 EU-Ländern auf dem eher peinlichen Platz 21. (Klaus Taschwer, 8.4.2021)