Steyr – In Steyr stoßen die Pläne von Investor Siegfried Wolf auf breite Ablehnung. Gegen das Übernahmeangebot haben sich 63,9 Prozent der 2.215 Beschäftigten des MAN-Werks ausgesprochen, die an der Urabstimmung am Mittwoch teilgenommen haben. Der Betriebsrat hat das Ergebnis offiziell bestätigt. Wolf hatte sich "ungeteilte Zustimmung" gewünscht, aber zumindest zwei Drittel angepeilt.

Die MAN-Zentrale in München teilte daraufhin umgehend mit, dass man nun die Schließungspläne weiterverfolgen werde. Die Belegschaftsvertretung gibt sich hingegen nach wie vor kämpferisch und will weiterverhandeln. Der ehemalige Magna-Chef Wolf wollte mit seiner WSA Beteiligungs GmbH das Werk übernehmen, aber nur einen Teil der Belegschaft behalten. Die Zentrale sieht als einzige Alternative die Schließung des Werks bis 2023.

Gemischte Reaktionen bei Belegschaft

Insgesamt 94 Prozent der Belegschaft haben sich an der Urabstimmung über die Zukunft des Werks beteiligt, informierte der Betriebsrat Donnerstagfrüh. Als "durchaus mutig" bezeichnet ein MAN-Angestellter im STANDARD-Gespräch die Entscheidung. Er selbst habe für die Übernahmepläne gestimmt: "Tausend Arbeitsplätze retten oder ganz zusperren? Da weiß ich schon, was besser ist." Ein Kollege wirft hingegen ein, dass es schon "eine Frechheit war, über nur ein Angebot abstimmen zu lassen". Man dürfe sich daher über das Ergebnis nicht wundern. Nachsatz: "Wenn ich mir ein Auto kaufe, nehm ich auch nicht gleich das erste Modell." Das Motto müsse jetzt "Zurück an den Start" sein.

Die Belegschaft habe das Konzept klar abgelehnt, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Helmut Emler. Das Konzept von Wolf sei zwar "schlüssig", die Einschnitte wären aber zu gravierend gewesen. Das sah offenbar auch die Belegschaft so. Der Betriebsrat meinte, dass zudem in den vergangenen Wochen viele Fragen offen geblieben seien, die auch Wolf nicht habe beantworten können.

Enttäuschung bei Wolf und MAN

Wolf hat das abschlägige Votum in einer Stellungnahme bedauert, aber er müsse das Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Er habe viel Potenzial für die Marke Steyr gesehen. Es sei ihm aber nicht gelungen, genügend Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, um Missinterpretationen und Fehlinformationen entkräften zu können.

Enttäuscht reagierte auch der Vorstand der MAN Truck & Bus auf das Abstimmungsergebnis. "MAN nimmt jetzt als Konsequenz die Pläne zur Schließung des Werks in Steyr wieder auf", richtete die Zentrale in München aus. MAN-Personalvorstand und Arbeitsdirektor Martin Rabe erklärte: "Wir sind vom Ergebnis wirklich sehr enttäuscht, da wir die angebotene Alternative zur Schließung als einen für alle Beteiligten sehr guten Weg angesehen haben." Offenbar habe es innerhalb der Belegschaft noch zu wenig Transparenz über "das wirklich gute Konzept" geben.

Siegfried Wolf besucht die Produktionsstätte in Steyr.
Foto: APA / Kerschbaummayr

Sparpaket und Umstrukturierung

Im Vorjahr war bekannt geworden, dass MAN im Zuge eines riesigen Spar- und Umstrukturierungsprogramms tausende Stellen einsparen und das Werk in Steyr bis 2023 schließen will. Ende September kündigte MAN die bestehende Standortgarantie, die den Bestand des Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 hätte sichern sollen. Schließlich trat Wolf als Interessent auf den Plan.

Er wollte von der aktuell knapp 1.900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1.250 übernehmen, denen allerdings eine bis zu 15-prozentige Kürzung des Nettoeinkommens drohte. Im Gegenzug hätte es Bleibeprämien von 10.000 Euro und einen Sozialplan gegeben. Spätestens bis zum Closing – bis Juni wollte Wolf Alleineigentümer sein – sollte jeder Mitarbeiter Gewissheit haben.

Der Ex-Magna-Chef plante, die Marke Steyr wiederzubeleben. Produziert werden sollten unter anderem leichte Kastenwagen mit Dieselmotoren und Elektroantrieb sowie Pritschenwagen, Kastenwagen und mittlere Lkws zwischen sechs und zwölf Tonnen sowie ein City-Bus mit Elektroantrieb und ein Bus für den Regionalverkehr. Potenzial sah er auch in der Aluminiumfertigung. Was die Lackiererei angehe, seien Steyr auch MAN-Lieferungen über 2023 hinaus zugesichert worden, auch wenn man wohl Preisabschläge machen müsse.

"Stimmst du zu?"

"Stimmst du einem Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH unter den dir bekannten geänderten Rahmenbedingungen zu?", lautete die Frage, die auf dem Stimmzettel stand. Die Öffnungszeiten der Wahllokale waren an die Schichten angepasst. Bis 23 Uhr konnten die Beschäftigten ihre Stimme abgeben. Medienvertreter waren auf dem Werksgelände nicht zugelassen.

94 Prozent der Beschäftigten nahmen an der Urabstimmung teil.
Foto: APA/MAN STEYR/MAN STEYR

Lehrlinge hatten bereits vor einigen Tagen abgestimmt. Das Leasingpersonal war ebenfalls stimmberechtigt, vorausgesetzt, man hatte zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung Ende März bereits für das Unternehmen gearbeitet. Die Stimmen der Leiharbeiter wurden auch nicht getrennt ausgewertet – im Vorfeld war viel spekuliert worden, dass es ihnen vielleicht leichter fallen würde, gegen den Verkauf zu stimmen.

Mehr als 100 Jahre Lkws

In Steyr werden seit über 100 Jahren Lkws gefertigt. Als vor ziemlich genau einem Jahr ruchbar wurde, dass damit nun Schluss sein könnte, war Feuer am Dach. Denn rund 2.200 Leute inklusive Leasingpersonal haben hier Arbeit. Gewerkschaft und Politik versuchten – wenn auch mit Jobabbau –, zumindest den Standort zu erhalten, und argumentierten, dass er profitabel sei. Parallel lief die Investorensuche. Denn Steyr ohne Lkw-Bau ist in Oberösterreich schwer vorstellbar.

Seit mehr als 100 Jahren werden in dem Werk in Oberösterreich Lkws hergestellt.
Foto: FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Das Werk wurde 1914 fertiggestellt, fünf Jahre später begann die Produktion der ersten Lkws. 1989 übersiedelte man unter das Dach von MAN. 1999 übernahmen die Oberösterreicher die gesamte Lkw-Fertigung der leichten und mittleren Baureihe von MAN. Das sind Fahrzeuge mit zwei oder drei Achsen, auch mit Allradantrieb ausgestattet, mit 150 bis 340 PS und einem Gesamtgewicht von 7,5 bis 26 Tonnen. Darüber hinaus werden dort auch Sonderfahrzeuge sowie Komponenten für den Produktionsverbund des Konzerns gebaut, beispielsweise Fahrerhäuser. Außerdem befindet sich in Steyr die größte Lackieranlage Europas für Lkw-Kunststoffanbauteile. Auch Forschung und Entwicklung werden an diesem Standort betrieben. Zuletzt gab es auch eine Kleinserie von E-Trucks.

MAN verlagert Geschäft nach Polen

Der Konzern will das Geschäft unter anderem nach Polen verlagern. Ein Argument dafür ist, dass auch 17 Jahre nach der großen Osterweiterung der EU das Lohngefälle weiter groß ist. In den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten (MOEL) betragen die Bruttolöhne im Durchschnitt ein Drittel bis die Hälfte des österreichischen Lohnsatzes, in Bulgarien sogar nur etwa 20 Prozent.

Länder mit ursprünglich sehr niedrigem Lohnniveau hatten seit 2004 den stärksten Zuwachs, Spitzenreiter Slowenien wie auch Ungarn nur einen relativ geringen, stellt Michael Landesmann vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Rahmen des Wissenschaftsnetzwerks Diskurs fest. Die Lohnunterschiede innerhalb der einzelnen Länder sind dabei mit Ausnahme der Hauptstadtregionen nicht viel größer als in Österreich. (APA, mro, and, 8.4.2021)