Im neunten Wiener Gemeindebezirk wehrt sich eine 7er-WG tapfer gegen das Alleinewohnen. Die Zutaten für ein gutes Zusammenleben: ein fensterloses Wohnzimmer, ein komplexer Putzplan und jahrelange Tradition.

"Diese Wohngemeinschaft gibt es seit mittlerweile 17 Jahren. Aber unser dienstältestes Mitglied ist erst seit zweieinhalb Jahren da. In den Konstellationen vor uns gab es wohl auch ziemlich viel Fluktuation, weswegen wir keine Ahnung haben, woher die meisten Möbelstücke, die hier stehen, eigentlich sind oder wer sie mitgebracht hat.

Keine Fenster, dafür rosa Licht im Wohnzimmer – da kann man schon mal die Zeit vergessen.
Foto: Lisi Specht

Wir wohnen hier auf rund 150 Quadratmetern, die Zimmergrößen reichen von acht (auch ,Der Schacht‘ genannt) bis 20 Quadratmeter. Unser Lebensmittelpunkt ist auf jeden Fall das Wohnzimmer, irgendwer sitzt immer hier.

Da das zwei Wohnungen sind, die irgendwann zusammengelegt wurden, gibt es hier kein einziges Fenster. Es passiert also schon einmal, dass wir komplett die Zeit vergessen, wenn wir im Wohnzimmer sitzen. Dann schaut irgendwer irgendwann mal auf die Uhr, und plötzlich ist es drei Uhr morgens. Wir witzeln immer, dass das Sofa nicht in die WG gekommen ist, sondern dass sich die WG vor Jahren um das Sofa herum gebildet hat.

Der Putzplan für die Wohngemeinschaft ist ein ausgeklügeltes, hochkomplexes System.
Fotos: Lisi Specht

Man entdeckt auch immer wieder neue Sachen. Erst vor kurzem haben wir gesehen, dass wir oben an der Wand im Wohnzimmer einen Stauraum haben, der uns vorher nie aufgefallen ist. Oder in der Rumpelkammer haben wir mal eine alte Drohne gefunden, auf der noch Fotos von ehemaligen WG-Mitgliedern waren.

Wegen Corona haben wir natürlich auch eigene Regeln. Wir achten darauf, nicht zu viel Besuch zu bekommen, und wenn doch wer kommen will, dann wird die ganze WG vorher gefragt und getestet. Wir hatten bisher noch keinen positiven Fall.

Mit unseren Nachbarn verstehen wir uns erstaunlich gut, es gab noch nie Beschwerden. Das ist eben auch ein Vorteil des fensterlosen Wohnzimmers, es schallt nirgendwo wirklich hin. Einer von uns lässt sich sogar die Haare von einer älteren Dame im dritten Stock schneiden – dafür übernimmt er bei ihr das Staubsaugen.

Bei sieben Mitgliedern kommt nach einiger Zeit auch eine ordentliche Sportausstattung zusammen.
Fotos: Lisi Specht

Die wenigsten von uns haben irgendwas an Möbeln mitgebracht, weil eben schon so viel hier war. Dafür sind wir erstaunlich gut ausgerüstet, zum Beispiel was Küchengeräte angeht, oder wir haben sogar drei Bügeleisen, wo manche WGs doch kein einziges haben. Dafür haben wir nur eine Waschmaschine, da könnte es ruhig eine mehr geben.

Wir streiten untereinander wirklich sehr selten. Es gab mal Missverständnisse mit ehemaligen Mitgliedern, aber das ist am Ende alles gut ausgegangen. Im Gegenteil, in der Zeit der Pandemie genießen wir alle die Gesellschaft.

Es ist halt immer etwas los. Man muss zwar ein geselliger Mensch sein, aber das sind wir alle. Und wenn man zu siebt wohnt, dann gibt es da fast noch eine Art Anonymität. Wenn man dann doch mal allein sein will, dann kann man sich eh in sein Zimmer zurückziehen, und da haben alle anderen auch Verständnis dafür.

"Man entdeckt auch immer wieder neue Sachen", erzählen die WG-Bewohner und -Bewohnerinnen über ihre Wohnung.
Fotos: Lisi Specht

Durch den Putzplan sind auch die meisten Aufgaben im Haushalt fair verteilt. Das ist ein ausgeklügeltes System, in dem ein Puzzleteil in das andere greift. Wir haben auch zwei oder drei Anläufe gebraucht, bis wir zufrieden waren. Hochkomplex.

Ein Highlight unserer Wohngemeinschaft ist wahrscheinlich das WG-Buch, in das wir alles Mögliche schreiben: Events, Partys, lustige Sachen ... Das WG-Buch gibt es auch schon länger als diese Konstellation hier.

Wie lange wir in dieser Gruppe noch zusammenbleiben werden, wissen wir selber nicht. Mehrere von uns sind gerade schon so ein wenig auf dem Sprung, schreiben Masterarbeit oder stehen sonst vor irgendwelchen Abschlüssen. Aber eine akute Veränderung ist nicht in Sicht, und das passt ja auch wegen des neuerlichen Lockdowns sehr gut. Da muss man sich nicht neu einstellen." (Thorben Pollerhof, 12.4.2021)