Eine Aufnahme von einer Anti-Maßnahmen-Demonstration im Februar.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

"Wenn wir diese Schlacht gewinnen wollen, sollten wir den Verbrechern auch was bieten können, und wir werden ihnen was bieten, so viel ist sicher", schreibt User K. auf einer sozialen Plattform. Zuvor äußerte Kollegin C. Zweifel: Ihr sei klar, dass man mit Demos keine Regierung stürzen könne, aber sie wolle ein Zeichen setzen. K. entgegnet: "Wir werden den Teufel vertreiben." Dort, wo Corona-Verharmloser und -Skeptiker sich vernetzen, ist die Rede von Krieg, von Schlachten, von Feinden und Gegnern. In einer anderen Gruppe schreibt jemand: "So, Leute, Masken runter, gesamte Politiker weg, auf zum Bürgerkrieg." Später wird "Mein Kampf" zum Download bereitgestellt.

Schon seit Monaten ist in sozialen Netzwerken der Corona-Verharmloser gewaltvolle Rhetorik zu finden, immer wieder auch Drohungen, wie etwa, das Parlament zu stürmen. Vereinzelt blieb es nicht bei rhetorischer Gewalt, als bei Demos in der Vergangenheit etwa Journalistinnen und Journalisten angegriffen oder bespuckt wurden. Oder als ein Gebäude der Wiener Städtischen gestürmt und Securitys dabei verletzt wurden. Was braut sich da seit geraumer Zeit zusammen?

Worte und Taten

Ein "inzwischen sehr großes Problem" seien die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, sagt Rechtsextremismus-Experte Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), der die Proteste schon lange beobachtet. Bis dato habe sich beim Gros der Teilnehmer noch keine Steigerung der Gewaltbereitschaft feststellen lassen. Doch die Bereitschaft, Worten künftig auch Taten folgen zu lassen, könnte steigen. Und zwar deshalb, weil die Bewegung immer weniger erfolgreich sei, meint Weidinger.

Was zuerst widersprüchlich klingt, erklärt der Experte so: "Die Bewegung ist an einem Punkt der Ernüchterung angelangt, und das sind immer gefährliche Punkte." Tatsächlich wurden die Erwartungen hinsichtlich der Teilnehmerzahlen bei den letzten Demonstrationen eher unter- als übertroffen. So ist auch fraglich, ob das Versprechen der Organisatoren für die nächste Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstration heute, Samstag, die als "Mutter aller Demonstrationen" angekündigt wurde, eingelöst werden wird.

Tabus könnten gekippt werden

Zu Beginn der Demos war die Euphorie groß, vor allem nach der ersten Großdemonstration, die trotz Untersagung stattfand. Doch die großen Erfolge sind bisher nicht eingetreten, die Regierung ist weiterhin im Amt, ihre Corona-Politik in den Grundzügen unverändert. Eine abnehmende Dynamik könne bei manchen dazu führen, gewisse Dinge, die bisher als Tabu galten, wie etwa breite Gewaltanwendung, zu kippen, meint Weidinger.

Genau darauf deutet eine Entwicklung hin, die derzeit innerhalb der Szene zu beobachten ist: So distanziert sich der Busunternehmer Alexander Ehrlich, der bisher zu den großen Protesten mobilisierte, von der für Samstag angesetzten Demonstration. Die Spaltung könnte mit der Einstellung zu Gewalt zu tun haben. So schreibt Ehrlich in einem Statement: "Es ist wichtig, dass wir bedingungslos friedlich bleiben. Leider kann sich eine Einzelmeinung manchmal in Entscheidungsfindungsprozessen nicht durchsetzen." Direkt davor teilte er die Nachricht einer anderen Person, mit der er offenbar nicht einverstanden ist: "Stürmung vom ORF wäre gut!", steht da.

Funken und Ordner

Im Lauf der letzten Monate hat sich die Organisation der Demonstrationen immer mehr professionalisiert – auch wenn die letzten Versuche der dezentralen Mobilisierungen eher scheiterten. So wird etwa auch über die Anschaffung von Funkgeräten debattiert, es ist davon die Rede, ein "eigenes Kommunikationssystem" aufzubauen.

Seit einiger Zeit ist außerdem ein eigener Ordnerdienst aktiv: der "SGB-Ordnungsdienst", laut eigenen Angaben in die sogenannte "St. Georgs Ritterschaft" eingegliedert und daher auch "dem ritterlichen Denken und Handeln verbunden". Er wirbt auch mit der Tätigkeit bei anderen Veranstaltungen, etwa in Zusammenarbeit mit der Polizei Seminare zu veranstalten. Die Wiener Landespolizeidirektion verneint das ebenso wie das Innenministerium: Es sei "keine Zusammenarbeit bekannt."

Die Ritter in Warnweste

Auf Anfrage des STANDARD schreibt Erich Weber, der Kopf von SGB-Media – die selbsternannte Ritter- bzw. Bruderschaft betreibt auch eine Medienplattform –, man arbeite gratis oder für geringen Entschädigungsaufwand, um "auch wenig begüterten Veranstaltern und Bürgern einen sicheren Ablauf von Veranstaltungen und sonstigen Anliegen zu ermöglichen". Laut eigenen Angaben erzielt man keinen Gewinn. Außerdem seien die Ordner größtenteils selbst Maßnahmenkritiker.

In seinem Statement schreibt Weber weiter: "Wir bringen großteils zwar nicht das Know-how eines Sicherheitsdienstes mit, doch aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung und der Erfahrung vieler 'Mitarbeiter' können wir trotzdem guten Service gratis anbieten."

Was die Ausrüstung für Mitarbeiter betrifft: Diese stelle man "soweit möglich zur Verfügung bzw. haben die meisten das Nötige, wobei niemand mehr bewaffnet ist, das haben wir abgestellt, schon aus rechtlichen Gründen". Es habe Mitarbeiter gegeben, die "aufmagaziniert" gewesen seien, doch von denen habe man sich getrennt. Mittlerweile werde Ausrüstung wie Pfefferspray oder Handschellen nur mehr selten und je nach Anforderung getragen. Solche Aufträge überlasse man aber lieber renommierten Sicherheitsdiensten. Bei Anti-Corona-Maßnahmen-Demos musste man sie bisher aber nicht einsetzen, schreibt Weber. Und: Man betreue ausschließlich angemeldete Demonstrationen.

"Militante Kräfte"

Erst kürzlich fragte Weber sich in sozialen Medien, wie lange man die "militanten Kräfte in der Protestbewegung noch zur Ruhe" mahnen könne: "Ich befürchte, nicht mehr lange." Woher seine Befürchtung kommt? Aus "Kenntnis der Szene" und vergangenen Vorkommnissen, schreibt er.

Die Szene der Anti-Corona-Maßnahmen-Aktivisten ist jedoch vielschichtig, nicht alle demonstrieren Seite an Seite. Auch was die Gewaltbereitschaft angeht, lässt sich nichts verallgemeinern. Die Köpfe der Bewegung legen jedenfalls nach außen hin stets Wert darauf, ihre Gewaltfreiheit zu betonen. Doch der Verfassungsschutz wies schon vor Monaten darauf hin, dass unter den Organisatoren auch rechtsextreme Figuren sind, die in der Menge mobilisieren und sie instrumentalisieren.

Einschätzung des Verfassungsschutzes

Was der Verfassungsschutz ebenfalls schreibt: Es werde in der Szene "sogar die Notwendigkeit eines Bürgerkriegs heraufbeschworen (...). Physische Gewalt bis hin zu Todesdrohungen gegen Politiker, Behörden, Medien und die Polizei wird als notwendig beschrieben." Das zeigt sich auch aktuell in den internen Gruppen der Demonstranten und Zweifler, etwa in folgender Nachricht: "In der aktuellen Situation sehe ich eine Revolution. (...) Ich denke, es wird gewalttätig werden irgendwann", die "Staatsmacht" werde mit "bezahlten Söldnern" gegen die Leute vorgehen. In einer anderen Gruppe schreibt jemand: "Am Ende des Tages bleibt die Frage, wer ist der Räuber, wer Gendarm." (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 10.4.2021)