In Toui, einer Hochburg der Opposition, kam es immer wieder zu Protesten gegen den amtierenden Präsidenten. Ein politisches Gegengewicht gibt es aber nicht.

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Patrice Talon ist allgegenwärtig. Vor blauem Hintergrund ist der 62-Jährige wenige Tage vor der Präsidentenwahl im westafrikanischen Benin an jeder Straßenecke zu sehen. Die riesigen Plakate machen deutlich: Der Amtsinhaber will in dem Zwölf-Millionen-Einwohner-Land wiedergewählt werden. Mit Mariam Chabi Talata ist die potenzielle Stellvertreterin gut ausgesucht. Bisher ist die Philosophielehrerin landesweit zwar wenig bekannt. Als eine Frau aus dem Norden bietet sie aber einen Gegenpol zu dem Geschäftsmann aus dem Süden.

Der hat auf den ersten Blick viel vorzuweisen. Vor allem im Zentrum der Wirtschaftsmetropole Cotonou sind Straßen und Gebäude entstanden. Mit Sèmè City gibt es ein Start-up-Hub, ein Behördenviertel und ein Park sind in Planung. Steuern, darauf pocht die Regierung, müssen endlich gezahlt werden.

Teil des neuen Cotonou ist auch Evariste Houngla. Dreimal die Woche fährt der 24-Jährige in einem Müllwagen des staatlichen Entsorgers SGDS-GN durch das Viertel Cocotiers. Vor jeder Haustür hält das weiße Fahrzeug mit der grünen Aufschrift an. Houngla springt von der Trittfläche und kippt den Inhalt der Tonnen in den Bauch des Müllwagens. Seit neun Monaten ist er Müllmann. "Einfach ist die Arbeit nicht. Sie erfordert viel Stärke", gibt er zu, "aber ich tue es für die Gesellschaft. Cotonou ist seitdem viel sauberer und aufgeräumter"

Hochgearbeitet

Das liegt nach Ansicht beninischer Beobachter an Talons Regierungsstil. Anders als Staatschefs der Nachbarländer hat er nie Parteikarriere gemacht, sondern sich als Unternehmer hochgearbeitet. Als der Traum von einer Pilotenkarriere an den medizinischen Voraussetzungen scheiterte, studierte er Mathematik und Physik, baute aber vor allem sein Imperium auf.

Sein Vermögen – das Wirtschaftsmagazin Forbes geht von mehr als 353 Millionen Euro aus – hat der reichste Beniner vor allem mit der Baumwolle gemacht, dem Exportgut Nummer eins des Landes. Wie ein Unternehmer regiert er seit 2016 auch das Land: pragmatisch und effizient. Was nicht funktioniert, wird abgeschafft.

Entwicklung ist ihm dabei wichtiger als Demokratie, heißt es oft. Das positive Bild, das vor allem das Zentrum von Cotonou abgibt, verdecken schlechte Werte bezüglich Menschenrechte, Presse- und Versammlungsfreiheit und Demokratieentwicklung.

Schwächung der Demokratie

Seit der Einführung des Mehrparteiensystems gilt der Staat als stabile Demokratie mit einer für Westafrika mustergültigen Verfassung. Mathias Hounkpe, Analyst der Open Society Initiative West Africa (OSIWA) mit Hauptsitz in Dakar, sagt allerdings im Gespräch mit dem STANDARD: "Es gibt aktuell zwei Länder in Westafrika, die eine klare Schwächung der Demokratie aufzeigen: Senegal und Benin." Zahlreiche Rankings belegen das.

Vor der Präsidentenwahl wird das umso deutlicher. "Die Abstimmung ist nicht offen", sagt Hounkpe. Auf dem Wahlzettel am Sonntag stehen gerade einmal drei Namen. Die Kandidaten Corentin Kohoué und Alassane Soumanou sind kaum bekannt. Größen der Opposition wie Sébastien Ajavon leben längst im politischen Exil in Frankreich. 17 Bewerber wurden gar nicht erst zugelassen. Reckya Madougou, die ebenfalls abgelehnt wurde, sitzt sogar seit Anfang März im Gefängnis. Der Vorwurf lautet, sie würde Terrorismus finanzieren.

Hohe Hürden

Ursache für die Ausdünnung der Opposition ist das 2019 eingeführte Patensystem, um die Flut an Bewerbern – 2016 waren es 33 – einzudämmen. Um auf dem Stimmzettel zu erscheinen, mussten Anwärter im Vorfeld zehn Prozent der Bürgermeister oder Mitglieder der Nationalversammlung von ihrer Kandidatur überzeugen. "Alle potenziellen Paten stammen allerdings aus dem Lager des Präsidenten", kritisiert Hounkpe. Bereits bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren waren nur zwei Parteien zugelassen worden, die beide dem Regierungslager angehören.

Deshalb kommt es auch immer wieder zu Demonstrationen. Am Donnerstag gingen laut Berichten offenbar Soldaten mit Tränengas gegen Protestierende in der Stadt Savé vor.

Im Viertel Menotin in der Nähe des Stadions steht Odette Tossou am Rand einer sandigen Straße und verkauft Tchakpalo, ein dunkles, fermentiertes Getränk, das aus Mais gewonnen wird. Ein halber Becher kostet umgerechnet sieben Cent. Doch oft haben die Kunden nicht einmal dafür Geld. Sie schenkt es ihnen dann: "Sie brauchen es noch dringender als ich das Geld."

"Wir Frauen brauchen Unterstützung"

Sie zieht ein ernüchterndes Fazit: "Das Leben hier ist sehr schwierig." Deshalb hat Odette Tossou eine Botschaft an den Präsidenten: "Wir Frauen brauchen Unterstützung." Almosen will sie nicht haben, aber die Chance für eine bessere Zukunft. (Katrin Gänsler aus Cotonou, 9.4.2021)