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Die Methode CRISPRoff soll epigenetische Forschung verbessern.

Foto: dpa/dpaweb/Boris Roessler

In der biotechnologischen Werkzeugkiste ist sie mittlerweile fest etabliert: Die "Genschere" Crispr-Cas9 revolutionierte in den vergangenen Jahren das Arbeiten in molekularbiologischen Labors. Die Methode macht es möglich, genauer als bisherige Technologien DNA zu verändern. Dafür schneidet das Protein Cas9 an einer bestimmten Stelle einen DNA-Strang; danach trägt der natürliche Reparaturmechanismus der Zelle dazu bei, die Veränderung zu stabilisieren. Eine Crispr-Cas9-Mutation ist normalerweise dauerhaft.

Eine aktuelle Forschungsarbeit lehnt sich namentlich an diese Methode an, betrifft aber das Feld der Epigenetik: Ein US-amerikanisches Team präsentiert im Fachmagazin "Cell" erste Ergebnisse einer anderen Methode, "Crispr-off". Dabei geht es nicht um eine Veränderung der DNA-Sequenz selbst, sondern um eine Änderung der Ablesbarkeit – genau jene Änderungen, mit denen sich auch epigenetische Forschung auseinandersetzt.

Epigenetische Änderungen

Hier werden etwa bestimmte Verbindungen an die DNA "angeklebt". Dadurch kann man sie nicht mehr wie zuvor ablesen. Die Folge: Das entsprechende Gen wird nicht "exprimiert", seine Informationen zum Herstellen eines bestimmten Proteins werden also ignoriert. Die wichtigste derartige Änderung bezeichnen Fachleute als Methylierung. Dieser Prozess wird natürlicherweise in allen Lebewesen von Enzymen durchgeführt. Immer wieder werden Gene durch das Ankleben und Ablösen aus- und eingeschaltet, je nachdem, welche Proteine gerade notwendig sind.

Bei Crispr-off soll das Ausschalten nun besonders gut und einfach funktionieren, sagt Jonathan Weissman. Er ist einer der beteiligten Wissenschafter, Biologieprofessor am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Forschungsmitglied am Whitehead Institute. "Wir können dies für mehrere Gene gleichzeitig tun – ohne DNA-Schäden, mit großer Homogenität und auf eine Weise, die wieder rückgängig gemacht werden kann. Es ist ein großartiges Werkzeug zur Kontrolle der Genexpression", sagt Weissman.

Crispr-off und Crispr-on

Das Werkzeug imitiert das natürliche Methylieren, also "Ankleben" der Verbindungen an die DNA. So schaltet Crispr-off Gene aus. Diese Modifikationen, die von kleinen RNA-Molekülen gesteuert werden, sind einerseits reversibel: Das läuft über ein Pendant namens "Crispr-on", das mittels Enzymen die Prozedur rückgängig macht. Andererseits sind sie aber auch stabil genug, um über Hunderte von Zellteilungen hinweg vererbbar zu sein.

Der ebenfalls beteiligte Luke Gilbert, Krebsforscher und Assistenzprofessor an der University of California in San Francisco, vergleicht das Verfahren mit einem Computerprogramm: "Mit der neuen Crispr-off-Technologie kann man eine Veränderung ins Programm schreiben, die durch Zellteilung weitergegeben wird."

Überraschende Ergebnisse

Seit vier Jahren arbeitet das Team an einer Methode des Epigenom-Editierens, die bisherigen Produkte funktionierten aber nur eingeschränkt: Die Zellen mussten dabei ständig künstliche Proteine herstellen, um die Veränderungen aufrechtzuerhalten. Nun haben sie diese Hürde überwunden.

DNA-Methylierung zählt zu den am Besten untersuchten epigenetischen Veränderungen des Erbguts. Die Ergebnisse der Crispr-off-Tests waren allerdings überraschend: "Es war sogar für uns ein großer Schock – wir dachten, das würde nur in einer Untergruppe von Genen anwendbar sein", sagt der Erstautor James Nuñez, der als Postdoc in Weissmans Labor forscht. Tatsächlich funktionierte die Methode auch etwa in DNA-Regionen, die die Genexpression kontrollieren, aber selbst keine direkte Information zur Proteinherstellung besitzen.

Vererbbarkeit erforschen

Ein solches zuverlässiges System könnte helfen, die Mechanismen zu verstehen, durch die epigenetische Modifikationen weitergegeben werden. "Unser Werkzeug ermöglicht es, den Mechanismus der Vererbbarkeit zu untersuchen. Insbesondere die epigenetische Vererbbarkeit, die eine große Frage in den biomedizinischen Wissenschaften ist", sagt Nuñez.

Auch Christoph Bock, Gruppenleiter am Wiener Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) und Epigenetik-Forscher, sieht großes Potenzial in dieser Entwicklung. Er steht in keiner Verbindung zur Studie, rechnet aber mit einer wichtigen Rolle für seinen Forschungszweig: "Die neue Methode ist ein substantieller Fortschritt gegenüber existierenden Verfahren für 'Epigenome Editing', bei denen die epigenetische Veränderung bei Zellteilung oft schnell wieder verloren geht."

Therapeutische Anwendung in ferner Zukunft

Das US-amerikanische Forschungsteam prüfte Crispr-off bereits erstmals im Hinblick auf mögliche praktische Anwendungen in der Zukunft. Dafür wurde einerseits eine Modifikation in einem Stammzellen-Gen durchgeführt, die auch bei der späteren Weiterentwicklung zu Nervenzellen noch in 90 Prozent der Zellen erhalten blieb. Außerdem fanden Tests an einem Gen statt, das für das Tau-Protein codiert – dieses Protein spielt bei Alzheimer-Betroffenen eine wichtige Rolle. Die Produktion dieses Proteins konnte zwar nicht ganz ausgeschaltet, aber heruntergefahren werden.

"Bezüglich des Potenzials für eine epigenetische Gen-Therapie von Krankheiten wird man abwarten müssen, wie stabil diese Veränderungen im Zeitverlauf und im Körper wirklich sind", sagt Bock. Als nächstes werden umfassende weitere Versuche nötig sein, um sowohl die Erfolgsaussichten als auch die Risiken besser einschätzen zu können. Erst danach könne man ernsthaft über mögliche klinischen Studien für die Behandlung von Krankheiten bei Menschen nachdenken, so Bock. (Julia Sica, 11.4.2021)