Am 8. Februar gastierte Bernhard Zauner im Kepler-Salon. Der Salon ist ein Talkformat der Linzer Universität, hochkarätige Wissenschafter kommen dort zu Wort. Zauner ist Homöopath und PR-Referent der "Ärztegesellschaft für klassische Homöopathie." Zum Thema "Medizin -.  mehr als Naturwissenschaft?" plaudert er mit der Moderatorin Barbara Infanger. Der Spaßarztverein Zauners ist mir ein Begriff, er hatte mir im Februar (gemeinsam mit Natalie Grams und Florian Aigner) einen "Preis für wissenschaftlichen Unsinn" verliehen.

Im Livetalk gestattete ich mir die Frage, warum man von Alternativmedizin spricht, niemals aber von Alternativphysik. Zauner und die ihm sichtlich gewogene Moderatorin einigen sich bei der Antwort darauf, mich sinngemäß so abzuschasseln: Herr Kreil, es gibt ja durchaus eine Alternativphysik, die Quantenphysik könne man als solche verstehen. Ich hatte keine weiteren Fragen. Ich darf erinnern: Wir reden von einer Veranstaltung an einer der renommiertesten Universitäten des Landes. Leider ist der Talk nicht mehr zu finden, die Aufzeichnung verschwand kurz nach dem Erscheinen von allen Plattformen. Das spricht für die Universität, die sich im Nachhinein für die Veranstaltung offenbar geniert. Was noch Fragen aufwirft: Wie gelangen derlei Inhalte ins Programm? Warum lädt eine Universität mit einem Medizincampus einen Homöopathen ein? Können die Astrophysiker demnächst Flat-Earther zum erbaulichen Disput in den Salon bitten, ohne dass es jemandem auffällt? 

MedUni-Wien-Ärztin: "Leider" wirkt Homöopathie nicht 

Anlässlich des Weltfrühchentags stand die Wiener Neonatologin Angelika Berger von der Meduni Wien im November 2020 im "Kurier" Eltern Rede und Antwort. Sie wird dabei auch zu "homöopathischen Heilmitteln bei Frühchen" befragt. Die Ärztin verweist auf eine Studie, die auf der Intensivstation für Frühgeborene durchgeführt wurde und sagt: "Leider war das Ergebnis damals negativ, es gab keinen positiven Effekt. Wir sind aber offen für den Einsatz alternativmedizinischer Methoden, wenn es den Eltern wichtig ist." Die Ärztin der Frühchenstation, die das Interview gegeben hat, ist zweifelsohne tadellos in ihrem Fach, es soll ihr nicht vorgeworfen werden, in dem Interview die Botschaft der wirkungs- und erfolglosen Homöopathie überbracht haben zu müssen.  

Dennoch offenbart sich in dieser Antwort das ganze Drama des Homöopokus, die Arglosigkeit der etablierten Medizin und die Chuzpe der Anbieter von Fakemedizin. Weil diese Fragen offen bleiben: Warum wird eine derartige Studie überhaupt durchgeführt? Wer sagt den Eltern, dass ihren Kleinen Homöopathie nicht hilft, auch wenn sie sich das wünschen, sondern nur eine Medizin, die State-of-the Art ist? Warum wird den Homöopathen nicht einfach gesagt, dass sie sich eine Studie bei den Frühchen aufmalen können?

In Apotheken in ganz Österreich werden Globuli und Co verkauft.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Mehr als 200 Jahre lang hat die Homöopathie Gelegenheit gehabt, eine Wirkung zu beweisen, die über den Placeboeffekt hinausgeht. Noch nie ist derlei gelungen. Aber hie und da darf jemand wieder Anlauf für einen Versuch nehmen, und wenn es bei den Kleinen auf einer Intensivstation ist. 

Was hat man sich denn erwartet von der Homöopathie bei Frühchen, um deren Leben die besten Kinderärzte des Landes kämpfen? Ein knappes Ergebnis, medizinisch messbare Wirkungen beim Zuckerkugeleinsatz, vielleicht gar einen Sieg nach Punkten für eine seit jeher an der Evidenz und am Hausverstand scheiternden Pseudoheilkunde? 

Apotheke schwärmt von den Begabungen einer "Sonnenhexe"

Die steirische Unternehmerin Nicola Wohlgemut stellt "Rostock-Globuli" her. Die Globuli sind "informierte Frequenzpräparate", die Webseite listet 48 unterschiedliche Globuli mit allerlei Indikationen auf - von Atemwegserkrankungen bis zu Masern und Tollwut. Wohlgemuth ist Energetikerin, sie selbst bezeichnet sich als "steirische Sonnenhexe", eine medizinische oder pharmazeutische Ausbildung hat sie nicht. Die "Aufladung" ihrer Medizinen erklärt sie so: "Ich habe eine große Schüssel Wasser, und auf die konzentriere ich mich."

Blauäugig wie wir sind, gehen wir davon aus, dass derlei maximal in einem Esoterikshop zwischen Klangschalen und Traumfängern feilgeboten werden darf. Weit gefehlt: Die Webseite Wohlgemuths listet acht österreichische Apotheken auf, in denen es ausgebildete "Rostock-Berater" gibt. Die Stadtapotheke Bruck an der Mur bietet um zehn Euro eine individuelle Beratung zu den Produkten der Sonnenhexe an. Dürfen wir darauf vertrauen, dass den Kunden spätestens zu diesem Zeitpunkt klipp und klar gesagt wird, dass Globuli mit Medizin und Pharmazie so wenig zu tun haben wie der Wunderbaum mit Pina-Coloda-Duft im Opel Kadett? Die Webseite der Apotheke lässt anderes vermuten: Man verspricht eine "Hauptwirkung", die "auf der Kraft von elektromagnetischen Schwingungen beruht" und schwärmt vom Wasser, "das aufgrund der seltenen Begabung der Herstellerin, Frau Nicola Wohlgemuth, mit Schwingungen aus verschiedenen Quellen, wie Heilsteinen, Bäumen, Planeten, Metallen oder auch Situationen angereichert ist."

Auf eine Situation warten wir bislang vergeblich: Dass die Apothekerkammer zu derlei Unfug ein Machtwort spricht. 
Zur Ehrenrettung von Frau Wohlgemuth und den acht Apotheken sei gesagt: Die Globuli der geschäftstüchtigen Energetikerin unterscheiden sich durch nichts von den "arzneilichen" Hochpotenz-Globuli, die in fantasievoll etikettierten Fläschchen von pharmazeutischen Herstellern angeboten werden. Und die werden in allen Apotheken des Landes feilgeboten.

Webseite der Apothekerkammer vermeidet nun Homöopathie-Diskurs

Auf der Webseite der Apothekerkammer las man bis vor Kurzem noch: "Der wissenschaftliche Nachweis einer Wirkung ist bei homöopathischen Arzneimitteln meist nicht oder nur schwierig zu erbringen." Auf der nunmehr neugestalteten Webseite der Kammer finden wir keine Rösselsprünge mehr rund um den wissenschaftlichen Unfug, das Thema wird fein ausgespart. Die Diskussion ist freilich damit nicht zu Ende, in den Apotheken selbst ist der Humbug nach wie vor zu finden. Die wirkungs- und wirkstofflosen Globuli erfahren dort die einzige "Aufladung", die erwähnenswert ist: mit dem Nimbus und Status von Frau und Herr Magister im weißen Mantel, die den zu einer vermeintlichen "Arznei" geadelten Zucker über den Tresen schieben. Dass derlei "Aufladung" auf Kosten vertrauensseliger Kranker und der Wissenschaft geht, darüber müssen wir vermutlich noch lange diskutieren. (Christian Kreil, 21.4.2021)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".

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