Textnachrichten zeigen Bundeskanzler nicht "als den wohlerzogenen Lieblingsschwiegersohn der Nation", heißt es im europäische Ableger der US-Wochenzeitung "Politico".
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Politico: "Erosion von Demokratie und Normen"

"Sebastian Kurz hat (...) in Regierung, Privatsektor und Medien ein von Kritikern als 'House of Kurz' bezeichnetes, engmaschiges Netzwerk von Loyalisten errichtet, die stillschweigend zum gegenseitigen Nutzen zusammenarbeiten. Kurz’ Metamorphose mag wie eine vertraute politische Geschichte über das Erwachsenwerden klingen, aber zu einer Zeit, in der ein Teil Mitteleuropas in eine Form des sanften Autoritarismus gerutscht ist, deuten Kurz’ Transformation und der große Korruptionsskandal in der politische Klasse Österreichs darauf hin, dass sich die Erosion von Demokratie und Normen in der Region nach Westeuropa auszubreiten droht. Dies wäre ein erheblicher Rückschlag für die Europäische Union, die bereits Schwierigkeiten hat, mit widerspenstigen Regierungen in Ungarn und Polen umzugehen. (...)

Besonders beliebt war er in Deutschland, wo Kurz die Medien, insbesondere die einflussreiche Bild-Boulevardzeitung, umwarb. Einige sahen in Kurz sogar den Fahnenträger für die Post-Merkel-Ära. Nun nicht mehr."

Neue Zürcher Zeitung: "Vertrauen hat stark gelitten"

"Das 'Team Kurz' kriselt. In Österreich belasten unselige Praktiken der Regierungspartei ÖVP und das Corona-Management die Koalition. Chats zwischen Spitzenfunktionären zeichnen ein wenig schmeichelhaftes Bild vom Umfeld des Bundeskanzlers und belasten die Koalition. Nach einem Jahr Corona hat das Vertrauen der Österreicher stark gelitten.

Mit dem Versprechen der Erneuerung hat Kurz 2017 die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) übernommen. (...) Erneuerung bedingt Flexibilität und politisches Geschick. Über beides verfügt der 34-Jährige zweifellos. Weniger klar war stets, wofür Kurz steht, wobei er und seine Vertrauten das inhaltliche Vakuum durch geschickte Kommunikation kompensierten. (...) Doch jüngst ist die Maschine arg ins Stottern gekommen, und dies nicht nur wegen der Pandemie: Eine Affäre um 'Freunderlwirtschaft' verdeutlicht den Kontrast zwischen öffentlicher Selbstdarstellung und Realpolitik in der ÖVP. (APA, 8.4.2021)