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Nicht nur Unternehmer sind gegen die neuen Wahlgesetze in Georgia, auch vor dem Kapitol in Atlanta demonstrieren Menschen gegen die einschränkenden Pläne der Republikaner.

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Unternehmer und Republikaner: Nach der traditionellen Lehre der amerikanischen Konservativen ist das ein Paar. Die Grand Old Party versteht sich als Wirtschaftspartei, während die Demokraten der Wirtschaft angeblich nur Knüppel zwischen die Beine werfen. Umso bemerkenswerter ist, wie energisch sich die Welt des Business gegen Gesetze in Georgia stemmt, in denen sie völlig unnötige Einschränkungen des Wahlrechts sieht, bestimmt allein durch politische Motive der Republikaner.

Die Fluggesellschaft Delta und der Getränkekonzern Coca-Cola haben protestiert, was schon deshalb ins Gewicht fällt, weil beide mit Sitz in Atlanta zu den ökonomischen Schwergewichten des Bundesstaats zählen. Der Business Roundtable, eine einflussreiche Lobbygruppe, spricht von einem "Schlag ins Herz repräsentativen Regierens".

72 schwarze CEOs haben eine ganzseitige Annonce in der New York Times geschaltet, um Widerspruch anzumelden. Einer von ihnen, Roger Ferguson, Chef des Geldinstituts TIAA, früher Mitglied des Gouverneursrats der amerikanischen Notenbank, begründet es mit Amerikas Ruf in der Welt. In puncto Wahlbeteiligung, sagt er, gehöre das Land schon jetzt zu den Schlusslichtern unter den demokratischen Industrienationen. "Es ergibt keinerlei Sinn, das Wählen noch schwieriger zu machen." Und um ein Zeichen zu setzen, das auch politisch weniger Interessierte auf Anhieb verstehen, will die Major League Baseball das All-Star-Game, ein Glanzlicht der Saison, von Atlanta nach Denver verlegen.

Weniger Briefkästen

Anlass ist eine Ende März vom republikanisch beherrschten Parlament Georgias beschlossene Reform, die insbesondere die Briefwahl erschwert. Wer seine Stimme per Brief abgeben will, hatte bisher sechs Monate Zeit, um dies zu beantragen. Nun verkürzt sich die Frist auf 78 Tage. Zudem wird die Zahl der eigens für das Einwerfen von Wahlzetteln aufgestellten Briefkästen reduziert, in der Metropole Atlanta etwa von 40 auf acht.

Schließlich darf in Zukunft nur wählen, wer einen Ausweis vorlegen kann. Da die USA Personalausweise nicht kennen, ist dies meist der Führerschein. Die Stimmabgabe daran zu koppeln geht in der Praxis überproportional auf Kosten von Afroamerikanern und Latinos, die häufig keine Geburtsurkunde besitzen und daher nur mit erheblichem Aufwand, auch finanziellem, einen Führerschein beantragen können.

Die Absicht hinter der Gesetzesänderung ist denn auch unschwer zu erkennen. Schwarzen und Hispanics, deren hohe Beteiligung die Demokraten in einem traditionell eher konservativen Staat zuletzt im Aufwind segeln ließ, sollen Hürden in den Weg gestellt werden, auf dass die Niederlagenserie der Republikaner ein Ende habe. Im November hatte Donald Trump das Präsidentschaftsvotum in Georgia verloren. Anfang Jänner dröhnte der nächste Paukenschlag, als die demokratischen Bewerber Jon Ossoff und Raphael Warnock zwei Senatssitze gewannen, die die Konservativen für sich gepachtet zu haben glaubten.

Die Ironie der Geschichte: Die führenden Republikaner des Staats boten Trump, der Wahlbetrug unterstellte, ohne Beweise zu liefern, in einer Weise Paroli, die ihnen sowohl den Respekt des Gegners als auch den Zorn des Ex-Präsidenten eintrug. Trumps ungebrochene Popularität an der republikanischen Basis wiederum hatte zur Folge, dass Gouverneur Brian Kemp, einer der Standhaften, von jener Basis zu einer Art Paria gestempelt wurde.

Kemp macht nun kein Hehl daraus, welche Nebenwirkung er sich von den neuen Paragrafen erhofft: Er will den Riss in den eigenen Reihen kitten. Eine ähnliche Rechnung macht Mitch McConnell, der Fraktionschef der Konservativen im US-Senat, lange ein enger Verbündeter Trumps, nach dem Sturm aufs Kapitol eine Zeit lang einer seiner schärfsten Kritiker. Eigentlich ein Vertreter des Wirtschaftsflügels, schlägt McConnell populistische Töne an, um den Einspruch von Wirtschaftsvertretern zu kontern.

"Der neue liberale Mob"

Wie das Beispiel Georgia zeige, wettert er, hätten es mächtige und wohlhabende Leute nur darauf abgesehen, das Volk zu tyrannisieren. "Sollten Unternehmen ein Vehikel für den linksradikalen Mob werden, um unser Land in Geiselhaft zu nehmen, wird das Konsequenzen haben." Ins gleiche Horn stößt Nikki Haley, die Ex-Gouverneurin South Carolinas, die unter Trump UN-Botschafterin wurde und 2024 fürs Weiße Haus kandidieren dürfte. "Großunternehmen sind der neue liberale Mob", schimpft die Politikerin, die einst alle Hebel in Bewegung setzte, um Firmen nach South Carolina zu locken.

Die Wirtschaftsrepublikaner im Rededuell mit der Wirtschaft – das ist tatsächlich etwas Neues. (Frank Herrmann aus Washington, 8.4.2021)