Zu erwarten, dass sich die MAN-Mitarbeiter zur Schlachtbank führen lassen und dabei auch noch jubeln, war einigermaßen vermessen. Diesbezüglich hat sich die Nutzfahrzeugtochter des Volkswagen-Konzerns grob verschätzt. Die Wut der Beschäftigten über die Arroganz der Konzernmutter war offensichtlich zu groß.

Vorteilhaft ist das Votum zweifellos nicht, aber der Karren war von Anfang an verfahren. Um sich das Wohlwollen der deutschen Belegschaft zu sichern, ließ der Münchner Konzern den Standort Steyr über die Klinge springen und setzte einen Deal mit Siegfried Wolf auf, von dem er glaubte, dass ihn die knapp 1.900 Beschäftigten der Steyrer Stammbelegschaft in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eigentlich nicht ablehnen können.

Die MAN-Mitarbeiter haben gegen das Übernahmeangebot des Investors Siegfried Wolf gestimmt.
Foto: APA/MAN STEYR/MAN STEYR

Aber die Herren in München haben sich verkalkuliert. Die Arbeiter in Steyr haben die Einladung, einem Übertritt in Siegfried Wolfs WSA BeteiligungsgmbH "unter den bekannten geänderten Bedingungen" zuzustimmen, ausgeschlagen. Wobei die Frage für ein Drittel der Leute ohnehin nur eine rhetorische war; denn die WSA wollte nur 1.250 Dienstnehmer übernehmen, und das auch nur unter dauerhaftem Verzicht auf 15 Prozent der Nettolöhne. Diesen Einkommensentgang wiegt die in Aussicht gestellte Prämie in Höhe von 10.000 Euro bestenfalls im ersten Jahr auf.

Auf die Zustimmung der Belegschaft kommt es bei solchen Deals eigentlich nicht an. Wenn es Wolf und dem dahinterstehenden russischen Automobilkonzern Gaz wirklich Ernst ist, und das kann man annehmen, wird MAN die Österreich-Tochter trotzdem an Wolfs WSA verkaufen. Denn von dem Deal profitieren am Ende fast alle: die MAN, weil sie ein Werk losschlägt, das angesichts sinkender Margen bei Leicht-Lkws (bis 7,5 Tonnen) eher früher als später unter Druck geraten wird, zumal in Polen billiger produziert wird; die Belegschaft, weil 1.250 Beschäftigte nicht nur für die Region besser sind als keine. Ein Verkauf an den russischen Volkswagen-Partner Gaz, der von Wolf geführt wird, ist da ein Glücksfall, weil künftiges Geschäft gesichert würde.

Industrielles Konzept

Genau deshalb dürfte in der Sache das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen sein. Der Ex-Magna-Chef hat als einziger Interessent ein industrielles Konzept vorgelegt, das diesen Namen verdient und Zukunft für Lkws aus Steyr in Aussicht stellt. Letzteres gilt übrigens auch für die von US-Sanktionen bedrohte Gaz, die ihrerseits Lieferketten im und aus dem Westen braucht. Wobei pikant ist, dass ausgerechnet der Weltautokonzern mit staatlichem Kernaktionär (Land Niedersachsen) mit Wolf ein Vehikel schaffen wollte, mit dem US- und EU-Sanktionen umschifft werden sollten.

Ja, der in der Autozulieferindustrie groß gewordene und erfolgreiche Manager Wolf ließ die Belegschaft zwischen Pest und Cholera wählen und kassierte eine Breitseite. So bitter dieses Votum sein mag, ein Profi, der Wolf als Zehn-Prozent-Miteigentümer des von Oleg Deripaska kontrollierten Gaz-Konzerns zweifellos ist, wird sich nicht so einfach von der Fahrbahn drängen lassen.

Vor diesem Hintergrund ist die Drohung von MAN, die Werksschließung voranzutreiben, nicht überzubewerten. Nach dem Vertrauensverlust im Dieselskandal – tausende Fahrzeughalter wurden bis heute nicht entschädigt – sind jetzt Verhandlungen angesagt. Dabei ist auch die Politik gefragt, die sich bis jetzt unverständlicherweise herausgehalten hat. (Luise Ungerboeck, 8.4.2021)