Wer Mitglied der katholischen Kirche ist, muss Beiträge zahlen – doch der Staat versüßt den Obolus mit einer Steuerentlastung. Zuletzt kostete das 135 Millionen Euro im Jahr.

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Es sind Verbündete, mit denen nicht unbedingt zu rechnen war. Vor acht Jahren hatte Niko Alm mit Gleichgesinnten ein Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien gestartet – nun erhielt er ausgerechnet von jener Partei Schützenhilfe, die sich Zeit ihre Existenz gerne ein christliches Mäntelchen umhängt. Überrascht habe ihn daran aber nur, dass die Angelegenheit nun an die Öffentlichkeit schwappt, sagt Alm: "Dass Sebastian Kurz und andere in der ÖVP die Kirche nur heuchlerisch als Werkzeug benutzten, aber nicht wirklich daran glauben, verwundert mich nicht."

Es waren die berüchtigten Chatprotokolle aus dem Untersuchungsausschuss, die Einblick in die Gemütslage der türkisen Spitze eröffneten. Darin ging es auch um einen angedrohten "Steuerprivilegien Check", mit dem auf die in der Flüchtlingsfrage ÖVP-kritische katholische Kirche Druck ausgeübt werden könnte. "Ja super. Bitte Vollgas geben", hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Vertrauten Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, ermuntert. Dieser antwortete: "Yeah! Das taugt mir voll."

Wo ist die Leistung?

Um welche "Steuerprivilegien" geht es dabei? Wer nach einer Liste sucht, ist bei Kritiker Alm naturgemäß richtig, wobei der Ex-Neos-Abgeordnete differenziert. Dass Spenden an diverse kirchliche Initiativen so wie an Tierschutzvereine oder Umweltorganisationen von der Steuer abgesetzt werden können, stört ihn etwa nicht, denn dem stehe ja eine Leistung gegenüber. Abgeschafft gehörten aber Förderungen und Vorteile, für die das nicht zu trifft: "Es gibt keinen Rechtfertigung für einen Staat, etwas nur aufgrund einer bestimmten vertretenen Weltanschauung zu subventionieren."

Als Paradebeispiel nennt Alm eine Regelung, die einst der sozialdemokratische Bundeskanzler Bruno Kreisky im Bemühen um eine gute Beziehung zu christlichen Würdenträgern eingeführt hat. Beiträge an gesetzlich anerkannte Kirchen und Glaubensgemeinschaften, also nicht nur an die dominante katholische Kirche, dürfen bis zu 400 Euro pro Person und Jahr von der Steuer abgesetzt werden. Das steigert die Bereitschaft der Gläubigen, Kirchensteuer zu zahlen, kostet den Staat aber Geld in Form von Einnahmen: Laut Finanzministerium nützten 2019 rund 2,35 Millionen Menschen den Vorteil, die Steuerentlastung betrug 135 Millionen Euro. Nachsatz aus dem Büro von Ressortchef Gernot Blümel: Das Ministerium denke nicht daran, den Passus zu kippen.

Einsatz für das Gemeinwohl

Ein Privileg können die Kirchenvertreter darin sowieso nicht erkennen. Auch Beiträge an die Gewerkschaft sind von der Steuer absetzbar, merkt Johann Hörndl, Finanzkammerdirektor der Erzdiözese St. Pölten, an und verweist auf den vielfältigen Einsatz für das "Gemeinwohl" – angefangen bei der Telefonseelsorge, die gerade in Corona-Zeiten besonders beansprucht werde. Im Gegenzug, argumentiert Hörndl, seien Spenden an die Diözesen für den teuren Erhalt der Kirchen nicht von der Steuer absetzbar.

Auch der Umstand, dass Immobilien der Kirchen bei einer bestimmten Nutzung – für Gottesdienste, Altenheime, Seelsorge, aber auch Verwaltungszwecke – von der Grundsteuer befreit sind, sei weit weg von einem Privileg. "Die Lasten überwiegen die Steuervorteile bei weitem", sagt Hörndl und verweist darauf, dass der Staat etwa bei der Instandhaltung der Gotteshäuser teure Auflagen mache. Anders als Unternehmer dürfe die Kirche bei Bauarbeiten auch keinen günstigen Vorsteuerabzug vornehmen.

Umstrittene Entschädigung

Um keine Steuererleichterungen, sondern um eine Finanzspritze handelt es sich bei einem anderen Kritikpunkt. Auf Basis einer Vereinbarung von 1960 zahlt der Staat an die katholische, evangelische und altkatholische Kirche sowie an die israelitische Religionsgemeinschaft jährlich Entschädigung für Güter, die vom NS-Regime beschlagnahmt wurden und von der Republik nicht mehr an die Kirchen und Religionsgemeinschaften restituiert wurden. Die katholische Kirche samt Orden erhielt 2019 unter diesem Titel laut eigener Abrechnung 57 Millionen Euro.

Wenn es sich um Entschädigung handle, müsse die Schuld irgendwann abgegolten sein, moniert Alm, doch stattdessen fließe da eine zeitlich unbegrenzte Subvention. Kirchenvertreter Hörndl hält entgegen, dass der Staat mit dem jährlichen Zuschuss keinesfalls den Wert der eingezogenen Güter abgelte. Kompensiert werde nur der entgangene Ertrag – deshalb die laufende Zahlung.

Ein Dickicht von Vorteilen

Es gebe ein "Dickicht von sich überlagernden Regelungen", von denen Kirchen profitierten, sagt der Steuerexperte Dominik Bernhofer von der Arbeiterkammer, doch das habe nicht allein mit dem Status der Religionsgemeinschaft zu tun: Vorteile ergäben sich auch daraus, dass Kirchen Körperschaften öffentlichen Rechts sind und gemeinnützige Tätigkeiten entfalten. Bernhofer warnt deshalb vor voreiligen Schlüssen. Begünstigungen seien dort zu überprüfen, wo es um wirtschaftliche Aktivitäten und Vermögen geht, sagt er – aber nicht im karitativen Bereich.

Der Steuerrechtler Werner Doralt diagnostiziert keine generelle ungerechtfertigte Bevorzugung der Kirchen und glaubt auch nicht, dass die ÖVP mit Beschneidungsplänen ernst mache. Mit der Drohung sei der politische Zweck schon erfüllt, beteuert er: "Die Botschaft lautet: Wer sich wohlverhält, wird belohnt, die Kritiker werden eingeschüchtert. Das ist Orbánisierung." (Gerald John, 9.4.2021)