Beliebtestes Regierungsmitglied ist derzeit Arbeitsminister Martin Kocher – er war nicht in Postenschachervorwürfe involviert.

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Wien – Der Vertrauensverlust der Bundesregierung in der Bevölkerung geht weiter, erneut müssen die türkis-grünen Spitzenrepräsentanten im APA/OGM-Vertrauensindex schlechtere Werte hinnehmen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), seit Jahren Abonnent auf Spitzenplätze in der Vertrauenspyramide, stürzt diesmal auf Platz vier ab. Beliebtestes Regierungsmitglied im April-Index ist erstmals der von Corona-Krise und Postenschachervorwürfen unbefleckte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).

Weiter ganz oben im Vertrauen in die Bundespolitiker steht Bundespräsident Alexander Van der Bellen, aber auch er muss bei einem Saldo von 39 Punkten (aus "habe Vertrauen"/"habe kein Vertrauen") ein Minus von vier Punkten hinnehmen. Gleich hinter ihm folgt Kocher, der acht Punkte auf einen Saldo von 22 zulegen konnte. Platz drei nimmt die grüne Justizministerin Alma Zadić (plus vier auf 20) ein. Erst dann folgt Kurz, der ein Minus von elf Punkten auf einen Saldo von nur noch neun hinnehmen muss.

Befragt wurden 800 repräsentativ ausgewählte Wahlberechtigte aus dem OGM-Online-Panel, und zwar am 6. und 7. April. Die Schwankungsbreite beträgt plus/minus 3,5 Prozent.

Für Kurz ist es der schwächste Wert seit Dezember 2013 (7 Prozent). Die Bewältigung der Corona-Krise hatte dem Kanzler im März des Vorjahres einen Spitzenwert von 51 Prozent beschert. Gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (49) lag er im Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher damals sogar vor Bundespräsident Alexander Van der Bellen (42). Seither rutschten beide Regierungspolitiker aber deutlich ab.

Blümel verliert am stärksten

Ähnlich hohe Verluste wie der Kanzler erleiden bei den Grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (minus elf auf zwei) und Vizekanzler Werner Kogler (minus zehn auf zwei). Am stärksten erwischt es Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) mit einem Minus von 13 Punkten auf einen Negativsaldo von 16. Seine Einvernahme im Ibiza-U-Ausschuss fand während der Befragung statt.

Über positive Veränderungen können sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (plus sieben auf Saldo null), auf ÖVP-Seite Bildungsminister Heinz Fassmann (plus zwei), Staatssekretär Magnus Brunner (plus eins) und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (plus eins) sowie bei der FPÖ Obmann Norbert Hofer (plus fünf) freuen. Letzterer ist allerdings insgesamt Vorletzter im Bundespolitiker-Ranking mit einem Saldo von minus 44. Schlechter als er liegt nur noch sein Klubchef Herbert Kickl mit einem Minus von 51. Den besten Vertrauenswert in der Opposition hat Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (minus drei auf einen Saldo von fünf).

Frust über Impfstoffbestellung und ÖVP-Chataffäre

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sieht die schlechten Werte durch die stark gestiegene Frustration über die Versäumnisse bei Impfstoffbestellungen sowie durch die Chataffäre motiviert. Diese sehr deutlichen Vertrauensverluste seien auch Resultat einer zunehmenden Polarisierung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien und teilweise auch innerhalb der Regierung.

"Die Debatte über Postenschacher schadet sicherlich, auch wenn die Mehrheit meint, das gab es schon immer", konstatiert Bachmayer. "Der Verlust an Vertrauen und Respekt im Zuge der bekannt gewordenen Chatprotokolle wiegt aber mehr. Dazu ist es für die Menschen einfach spannend, quasi durch die Schlüssellöcher der Politikertüren blicken zu können, das befriedigt Neugierde und ist verständlicher als Rechts- und Verfahrensfragen."

Die eigene (zuletzt etwas geschmolzene) ÖVP-Wählerschaft steht zwar mit 92 Prozent Vertrauen eindeutig hinter Kurz, bei den Anhängern der (zuletzt gewachsenen) Oppositionsparteien wird er aber immer mehr abgelehnt, auch die Grün-Wähler sind geteilter Ansicht. Ähnliches gilt für Kogler mit recht hoher, aber nicht völliger Zustimmung der eigenen Wählerschaft. (APA, 9.4.2021)