Klagen gab es im Fall Knoedler zahlreiche, nur eine führte zu einem Prozess, der von der Gerichtszeichnerin Elisabeth Williams dokumentiert wurde: jene des Sammlerehepaars Domenico und Eleanore De Sole Anfang 2016. Williams Illustrationen waren im gleichen Jahr dann in einer Ausstellung zu sehen.

Illustration: Illustrated Courtroom/Elisabeth Williams

Die Nachricht, die sich am 30. November 2011 abends in Windeseile zu verbreiten begann, überraschte nicht nur Sammler, Galeristen und andere Vertreter des Kunstmarktes in New York, sondern auch all jene, die gerade bei der Art Basel in Miami Beach weilten: Einem Bericht der "New York Times" zufolge hatte Knoedler & Company die Schließung bekanntgegeben. Nach 165 Jahren stieg also eine der bekanntesten, prestigeträchtigsten und ältesten Kunstgalerien aus dem Business aus.

Warum, ging aus dem betont knapp gehaltenen Statement nicht hervor. Im Artikel selbst fanden sich jedoch Hinweise, deren Bedeutung sich erst später klären sollte: Im Oktober 2009 war Ann Freedman, die dort seit 31 Jahren tätig gewesen war, als Präsidentin der Galerie zurückgetreten. Im Jahr darauf hatten die Eigentümer das denkmalgeschützte New Yorker Stadthaus im italienischen Renaissancestil, das 41 Jahre lang die Galerie beherbergt hatte, für 31 Millionen Dollar verkauft.

What's on Netflix

Und da war dann noch ein Zivilprozess, in dem die vom Künstler Robert Motherwell gegründete Stiftung (Dedalus Foundation) Freedman beschuldigte, gefälschte Motherwell-Gemälde verkauft zu haben. Eine Behauptung, die sie damals vehement bestritt.

Dass die Schließung der Galerie tatsächlich mit einem der größten Fälschungsskandale in der US-amerikanischen Geschichte verknüpft war, gelangte in der Folge sukzessive und über zahlreiche Prozesse erst im Laufe der folgenden Jahre an die Öffentlichkeit.

Eine Garage in Queens

Die brisante Bilanz: Von 1994 bis 2011 hatte Knoedler dutzende vermeintliche Werke der Kategorie abstrakter Expressionismus von Künstlern wie Motherwell, Richard Diebenkorn, Clyfford Still, Jackson Pollock oder Mark Rothko für insgesamt etwa 80 Millionen Dollar an vermögende Privatsammler, Händlerkollegen und Museen verkauft. Tatsächlich hatte ein chinesischer Künstler namens Pei-Shen Qian diese Bilder in einer Garage in Queens gemalt: im Auftrag eines dubiosen Kunsthändlers, dessen Lebensgefährtin die Fälschungen mit einer erfundenen Provenienz an Knoedler verkaufte – für deutlich niedrigere Beträge, als Ann Freedman ihren Klienten dann in Rechnung stellen sollte.

Der Wirtschaftsprüfer Rogert Siefert sagte in dem Prozess über die Gewinne aus, die Knoedler aus den Verkäufen der Fälschungen verbuchte: De Sole hatte das vermeintliche Rothko-Gemälde Ende 2004 für 8,3 Millionen US-Dollar erworben – Knoedler hatte dafür nur 950.000 Dollar bezahlt.
Illustration: Illustrated Courtroom/Elisabeth Williams

Der Causa ist ein Dokumentarfilm gewidmet, der vergangenes Jahr in Kanada online veröffentlicht wurde und jetzt auf Netflix zu sehen ist: Unter dem Titel "Made You Look: A True Story About Fake Art" rekonstruierte der kanadische Regisseur Barry Avrich den Fälschungsskandal im Rückblick. Im Mittelpunkt der Kontroverse stehen drei Hauptakteure, die es bislang vermieden hatten, sich dazu öffentlich zu äußern: die ehemalige Knoedler- Präsidentin Ann Freedman, das Sammlerehepaar Domenico und Eleanore De Sole sowie José Carlos Bergantiños, der den Künstler Pei-Shen Qian auf den Straßen in Chinatown angeworben hatte.

Zu Wort kommen weiters Journalisten der "New York Times", ein Staatsanwalt und einige involvierte Experten, die teilweise auf Ungereimtheiten hingewiesen hatten, die jedoch von Freedman ignoriert oder uminterpretiert wurden. Unter jenen, die Avrich nicht vor die Kamera bekam, waren zahlreiche Käufer, denen die Angelegenheit bis heute peinlich ist. Dazu gehörte der kanadische Händler, Sammler und Philanthrop David Mirvish: Er hatte gemeinsam mit der Knoedler-Galerie in mehrere der gefälschten Gemälde investiert und verteidigte deren Authentizität auch dann noch, als sie von Experten bereits als Fälschungen entlarvt wurden.

Auch Michael Hammer, Eigentümer von Knoedler, stand nicht zur Verfügung. Dabei hatte er sich aus den Einnahmen der Galerie ein luxuriöses Leben finanziert, wie der Buchhalter der Galerie vor Gericht aussagte. Und last, but not least entzog sich Glafira Rosales einem Interview, jene Frau und einstige Lebensgefährtin Bergantiños’, die die Fälschungen kleinweise über Knoedler in Umlauf gebracht hatte – überaus geschickt, mit einer vordergründig unverdächtigen Provenienzgeschichte.

James Martin war jener forensischer Gutachter, der mehrere Gemälde aufgrund gewisser Beschaffenheiten – etwa Farben, die zum Zeitpunkt der angeblichen Datierung noch gar nicht auf dem Markt waren – als Fälschungen entlarvte.
Illustration: Illustrated Courtroom/Elisabeth Williams

Klagen über Klagen

Im Rückblick ist man bekanntlich immer gescheiter, und doch hätte Ann Freedman gewisse Aspekte hinterfragen müssen, wie in der Dokumentation deutlich wird. Etwa dass kein einziges Werk der Sammlung, die Rosales im Auftrag eines Sammlers mexikanischer Herkunft sukzessive verkaufte, den jeweils zuständigen Experten oder Familienmitgliedern der Künstler vor dem Auftauchen bekannt, in irgendeiner Form dokumentiert oder je in einer Ausstellung zu sehen waren.

Irgendwann hätte Freedman – gerade aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung – stutzig werden müssen. Das Gegenteil war der Fall, sie war so felsenfest von der Echtheit überzeugt, dass sie auch noch gegen aufkommende Hinweise und eindeutige Gutachten ankämpfte. Selbst dann noch, als sie und die Galerie im Dezember 2011 von einem der ums Ohr gehauenen Käufer verklagt wurden: vom Hedgefonds-Manager Pierre Lagrange, der 2007 ein angebliches Werk Jackson Pollocks aus dem Jahr 1950 für 17 Millionen Dollar gekauft hatte. Glafira Rosales hatte für das Bild von Knoedler 950.000 Dollar erhalten, womit der Deal der Galerie vorerst einmal eine enorme Gewinnspanne bescherte.

Nach zwei Wochen und zahlreichen Aussagen wurde der Prozess beigelegt. Aufgrund eines Stillschweigeabkommens wurden Details des Vergleichs nie öffentlich. Ann Freedman, die bis zuletzt an die Echtheit der Werke glaubte, betreibt nun ihre eigene Galerie in New York.
Illustration: Illustrated Courtroom/Elisabeth Williams

Als Gerüchte über Fälschungen aufkamen, die von Knoedler verkauft worden sein sollen, ließ Lagrange das Gemälde naturwissenschaftlich untersuchen. Ergebnis: Die verwendete gelbe Farbe war erst in den 1970er-Jahren auf den Markt gekommen – Jackson Pollock war aber 1956 bei einem Autounfall tödlich verunglückt.

Seine Klage wurde zu unbekannten Bedingungen beigelegt, wie viele andere auch. 2016 etwa jene des erwähnten Domenico De Sole, ehemaliger Chairman von Sotheby’s (20015– 2019), amtierender Chairman von Tom Ford und Aufsichtsratsmitglied in zahlreichen Unternehmen (u. a. Pirelli, Ermenegildo Zegna, Delta Airlines, Procter & Gamble). Gemeinsam mit seiner Ehefrau hatte er im Dezember 2004 ein vermeintliches Rothko-Gemälde für 8,3 Millionen Dollar erworben. Rosales’ Anteil entsprach mit 950.000 Dollar also einem Achtel des Verkaufspreises.

Zehn Jahre später ...

Die Situation, knapp zehn Jahre nach Bekanntwerden der Causa? Glafira Rosales, die eine Schlüsselrolle im 80-Millionen-Dollar-Fälschungsskandal spielte, hat sich im September 2013 der Geldwäsche und Steuerhinterziehung schuldig bekannt. In ihrer Einvernahme hatte sie – sehr zum Schock Ann Freedmans – eingestanden, dass es sich bei den 40 an Knoedler verkauften Gemälden um Fälschungen handelte.

Nach ihrer Verhaftung im Mai 2013 hatte sie 82 Tage in Untersuchungshaft verbracht, die ihr vom Bundesgericht angerechnet wurden, das sie schließlich zu neun Monaten Hausarrest und drei Jahren auf Bewährung verurteilte. Sie war zwischenzeitlich als Kellnerin tätig. Ihr ehemaliger Lebensgefährte und Auftraggeber der Fälschungen, Carlos Bergantiños, tauchte in Spanien unter und wurde trotz Ansuchen der US-Behörden nicht ausgeliefert. Der Künstler Pei-Shen Qian, der jedwede Fälschungsabsicht bestritt, kehrte nach China zurück und lebt in Schanghai. Ann Freedman betreibt unter ihrem Namen eine Galerie in New York. (Olga Kronsteiner, 12.4.2021)