Ex-Innenminister Herbert Kickl und einer seiner glücklichsten Momente.

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Nicht einmal bei der Maskerade auf dem hohen Ross war Kickl ein Riese, aber ein Hang zur Selbstüberhöhung war ihm schon anzumerken, als er mit der Idee, Polizei und Rossknödeln zusammenzubringen, einen der Höhepunkte seiner Karriere als Innenminister markierte. Mit einiger Verspätung ist dieser Hang nun auch seinem Parteiobmann Hofer aufgefallen, wenn auch in leicht verändertem Zusammenhang. Das freie Mandat erlaubt es, dozierte Hofer, sich im Parlament der Hausordnung zu entziehen. Wer das tut, stellt sich aber in einer Selbstüberhöhung über alle Menschen, die sich an Regeln halten müssen. Ich respektiere als Präsident die Hausordnung und erwarte das von allen Abgeordneten.

Abgesehen davon, dass Präsident des Parlaments noch immer ein gewisser Sobotka ist, muss man davon ausgehen, dass der Dritte Präsident des Nationalrats damit den Versuch einer Selbstüberhöhung des FPÖ-Klubomanns Kickl über den FPÖ-Parteiobmann Hofer ansprach, was "Österreich" von einem Maskenkrach zwischen den beiden Herren sprechen ließ.

"Beleidigung des Parlaments"

Selbstüberhöhung ist hierzulande zu einem Laster geworden, von dem auch Nationalratspräsidenten nicht frei sind. Als Mittwoch im Ibiza-Untersuchungsausschuss der Abgeordnete Helmut Brandstätter die von Sobotka geleitete Befragung in stilistischer Hinsicht als "Beleidigung des Parlaments" qualifizierte, drohte ihm eben jener Sobotka erzürnt mit einem Ordnungsruf. Merkwürdig genug, dass ein Abgeordneter, der die Rechte des Parlaments verteidigt, mit einem Ordnungsruf von dem Mann bedroht wird, für den diese Rechte zu verteidigen die höchste Aufgabe sein sollte.

Das hängt vielleicht mit der Selbstüberhöhung zusammen, die es jemandem gestattet, einen Untersuchungsausschuss über Vorgänge zu leiten, in die er selber verwickelt ist. Und das wiederum gehört zu jener türkisen Selbstüberhöhung, die zur Zeit Mode ist.

Kickl hingegen übte reinen Herzens Selbstkritik, indem er jeden Kommentar zu Hofers Vorwurf der Selbstüberhöhung vor der Klubsitzung am Freitag verweigerte mit der Begründung: "Alles andere wäre selbstüberhöhend." Darin wollte man laut "Österreich" unter türkisen Spezialisten für Selbstüberhöhung den Beweis sehen, dass Kickl die FPÖ "längst übernommen hat".

Alles andere wäre eine Selbstunterschätzung

Die Gabe solcher Prophezeiung befindet sich sonst eher im Besitz von Journalisten, für die Selbstüberhöhung tägliches Brot ist. Als es zu Ostern galt, Buntes zu bieten, stand Wolfgang Fellner vor der derzeit meist gestellten Frage in der Wiener Politik- und Medienszene – aber auch von unseren Leserinnen und Lesern an mich: Wie lange hält diese Regierung noch? Und: Wann gibt es Neuwahlen? Verständlich, dass sich ein Fellner einer Antwort darauf nicht verweigern darf, alles andere wäre eine Selbstunterschätzung. Und so rief er die nächste Legislaturperiode aus: Koalition ist am Ende – im Oktober kommen Neuwahlen.

Mag Fellner auch nur einer der hinteren Propheten dieses Landes sein, so ist sein Neuwahlrezept von umwerfender Überzeugungskraft. Wolle Kurz von den Grünen nicht so schwer beschädigt werden, dass er keine Mehrheit mehr hat, müsste er nur eine "Regierung der nationalen Einheit" (mit SPÖ und Sozialpartnern) und ein "Ministerkabinett der Experten" ankündigen.

Bei der Selbstüberhöhung, die man von Kurz gewohnt ist, wird der rote Andrang in eine "Regierung der nationalen Einheit" gewaltig sein. Fellner hört schon Rendi-Wagner schwärmen: Ich liebe meinen Kanzler, und Dosko verspricht: Kriegst eh alles, was du willst.

Kein Linienflug

Ein kleines Hindernis gibt es noch, und "Die ganze Woche" enthüllte es: Ukrainische Zeitung kürte Kurz zu "Feind der Woche". Und das kam so. Kurz wollte doch neulich in Israel mit Netanjahu eine Impfallianz gründen. Hin flog er mit der dänischen Ministerpräsidentin in deren Staatsflieger, zurück aber mit einem Luxus-Privat-Jet im Wert von 32 Millionen Euro des ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch, 55. Dessen Auslieferung begehren die USA, in der Ukraine ist er eine unerwünschte Person, in Österreich ist er gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro frei und der ÖVP nahe. Für das Bundeskanzleramt ist es "ein üblicher Standardvorgang, über Unternehmen wie ,Avcon Jet‘ einzelne Flugreisen zu buchen. In wessen Eigentum die jeweiligen Flugzeuge stehen, entzieht sich unserem Kenntnisstand. Reiner Zufall, dass Kurz keinen Linienflug buchte. Wenn es dann um nationale Einheit geht, darf die SPÖ bei Kurz nicht so empfindlich sein wie die Ukraine. (Günter Traxler, 10.4.2021)