Dass sich Hofer für eine Maskenpflicht im Parlament aussprach und damit de facto gegen seinen Klubobmann Herbert Kickl stellte, kommt bei einigen gar nicht gut an.

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Anhänger der FPÖ in sozialen Medien sind derzeit alles andere als gut auf Norbert Hofer zu sprechen – höflich ausgedrückt. Während der Parteichef der Freiheitlichen diese Woche vor die Presse trat, um über die aktuelle Corona-Situation zu reden, schlug ihm in den Kommentaren unter dem Youtube-Livestream offener Hass entgegen.

"Judas", postete ein User, nicht wenige wünschen sich Hofers Rücktritt. Er sei passiv, habe kein Rückgrat, geriere sich als "Callboy der Mainstreammedien". Da passe er doch besser in die ÖVP als an die Spitze der Freiheitlichen.

Dass sich Hofer für eine Maskenpflicht im Parlament aussprach und damit de facto gegen seinen Klubobmann Herbert Kickl stellte, kommt bei einigen gar nicht gut an. Im Gegenteil: Manche – auf Youtube, Facebook, in der blauen Basis, auch in der Partei – wünschen sich, dass Kickl, der Scharfmacher der FPÖ, künftig die Blauen anführt.

Regierungsfähig oder basistreu?

Die Stimmung kommt nicht von ungefähr. Seit der Übernahme der FPÖ durch Hofer und seinen Führungsvize Kickl ist zwischen den Beiden ein Machtvakuum entstanden. Parteiintern wird ihr Verhältnis als schlecht beschrieben.

Und um die beiden blauen Urgesteine herum haben sich zwei Lager gebildet, deren Anspruch, Idee und Zugang zu Politik unterschiedlicher kaum sein könnte: Die einen wollen wieder regierungsfähig werden und bei der nächsten Wahl enttäuschte Wähler von Kanzler Sebastian Kurz einfangen; die anderen kantig auftreten und ein FPÖ-Stammwähler-Programm durchziehen.

Begonnen hat das Gespann Hofer/Kickl als Idee einer Doppelspitze, die gemeinsam zwei Wählergruppen bedient: Hofer, der salonfähige Rechte, der ehemalige Präsidentschaftskandidat, der als Verbinder in Richtung Mitte breite Schichten anspricht.

Kickl, der Haudegen, der spitzzüngige Aufwiegler, der die derbe Basis befriedet. Doch das Modell wurde zunehmend zum Problem. Die Kommunikation der beiden Freiheitlichen lief auseinander, inzwischen widersprechen sich Hofer und Kickl laufend. Ist die FPÖ für Masken im Parlament oder dagegen? Soll man sich impfen lassen?

Hinter den Kulissen duellieren sich die Lager um Parteichef Norbert Hofer und Klubchef Herbert Kickl um die Parteihoheit.
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Gerade in Corona-Angelegenheiten, dem zentralen politischen Thema seit einem Jahr, ist bei eigentlich simplen Fragen unklar, wofür die FPÖ nun steht. Gilt, was Hofer kreideweich formuliert, oder gilt doch die Position, die von Kickl gekläfft wird?

Diese Diskrepanzen, die Lagerbildung, die persönliche Antipathie – nicht wenige vermuten: So wie es derzeit ist, geht es nicht mehr ewig weiter. Es werde zu einem Showdown zwischen Hofer und Kickl kommen – und aus dem gehe einer der beiden als Sieger hervor.

Will Kickl die Partei übernehmen?

Wann das passiert und wie es ausgeht, hängt vor allem von einer entscheidenden Frage ab, die innerhalb der FPÖ sehr unterschiedlich beantwortet wird: Will Kickl überhaupt Parteichef werden?

Die Alternative, so wird im Hofer-Lager vermutet: Kickl sucht jemanden, dem er in den Chefsessel verhilft, der sich von ihm dann besser steuern lässt als Hofer – jemand wie früher Heinz-Christian Strache, so die Erzählung. Andere sind sich sicher: Kickl hatte das zwar ursprünglich nicht vor, aber hält sich als Parteichef inzwischen für alternativlos.

Die zweite relevante Frage ist, wann das nächste Mal gewählt wird. Viele in der FPÖ gehen von vorgezogenen Neuwahlen kommendes Jahr aus. Je eher gewählt wird, desto besser für Hofer, sagen einige Blaue.

Aus einer Wahl würde Hofer gestärkt hervorgehen, insbesondere wenn die ÖVP strauchle, das würden die Umfragen ja schon jetzt zeigen. Je länger Kickl hingegen stänkert, die Linie von Hofer konterkariert, Leute um sich scharen und Vorbereitungen treffen könne, desto besser sei es für den Klubchef.

Strategischer Fehler

Wiederum, wenden andere Parteikenner ein, brauche es vor einem Umsturz an der blauen Führungsspitze erst einmal einen Parteitag. Der vorerst letzte fand kurz vor der Wahl 2019 statt. Hofer wurde mit 98,25 Prozent als Frontmann bestätigt. Solange es zu keinen vorzeitigen Neuwahlen kommt, könne Hofer auf seinem Amt bestehen und noch auf Zeit spielen, heißt es.

Dass Kickl überhaupt dem blauen Parlamentsklub vorsteht, halten einige für einen strategischen Fehler, der Hofer nach dem Abgang Straches passiert ist. Damals, so wird erzählt, habe Hofer noch vor allem Bundespräsident werden wollen, sich selbst deshalb ohnehin nicht als langjährigen Parteichef gesehen. So bekam Kickl eben den Klub. Heute steht die Mehrheit der freiheitlichen Parlamentarier hinter Kickl und stützt ihn – für Hofer ein zunehmendes Problem.

Der blaue Burgenländer und Dritte Nationalratspräsident soll auch einen Versuch unternommen haben, Kickl den Klubchef abzuringen und ihn stattdessen zum Generalsekretär zu machen. Kickl lehnte ab – so einfach lasse er sich nicht entmachten.

Parteiausschluss nach der Wahl

Aber nicht nur das. Es geht das Gerücht um, dass im Lager des ehemaligen Infrastrukturministers Hofer durchaus schon die Idee gewälzt worden sei, Kickl aus der Partei auszuschließen– allerdings erst nach der nächsten Wahl, um den Schaden zu begrenzen. Werde der Schritt davor gesetzt, käme das einer Selbstzerstörung der FPÖ gleich. Die Frage ist, ob Hofer jemals genug Macht für so eine solche Aktion haben wird.

Hinter Hofer steht jedenfalls der gute Rest der freiheitlichen Führungsriege – und vor allem die meisten blauen Landeschefs. Manfred Haimbuchner dürfte ihm – zumindest vorerst – nicht gefährlich werden.

Vielleicht ist am Ende aber auch Oberösterreichs Landesvize Manfred Haimbuchner der lachende Dritte.
Foto: Haimbuchner / Facebook

Der Chef der letzten blauen Bastion in Oberösterreich wird zwar als lachender Dritter im Führungsstreit der Bundes-FPÖ gehandelt, Haimbuchner wolle aber nicht nach Wien. Er lehnte auch ab, als ihm Strache ein Ministeramt in der türkis-blauen Regierung anbot.

FPÖ kommt nicht recht vom Fleck

Für viele Hofer-Anhänger ist klar: Kickl möchte, dass die Partei regierungsunfähig ist. Eine Regierungsbeteiligung wäre für Kickl persönlich schließlich fatal. Wer würde mit einer FPÖ koalieren, in der er an den Schalthebeln steht? Wohl niemand.

Das Lager rund um Kickl findet hingegen, dass Hofer freiheitliche Werte aufgibt, um ministrabel zu erscheinen. Das sei schon in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP spürbar geworden. Zu oft habe er den Türkisen nachgegeben, um den gemeinsamen Weg zu ebnen.

Hofers Ziel sei es, die FPÖ wieder zu einer von drei starken Parteien zu machen. Da ist sogar von überaus ambitionierten 30 Prozent die Rede, die ihm langfristig vorschweben würden. In aktuellen Umfragen stehen die Freiheitlichen in etwa dort, wo sie bei Wahl 2019 waren. Da lagen sie bei 16,2 Prozent. Recht vom Fleck kommen sie also nicht. Ob das mehr an Kickl oder an Hofer liegt?

Je nachdem, wen in der FPÖ man fragt. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 10.4.2021)