Jakob Nolte: "Jede Biografie ist ein Evangelium."

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Jakob Nolte hat schon beim Bachmann-Wettlesen mitgemacht. Er wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert und schreibt Theaterstücke. Noch dazu betreibt er gemeinsam mit Leif Randt vom obligaten Berlin aus die Plattform Tegel Media, eine Art Literaturzeitschrift zur "narrativen Entspannung der Webwelt". Man kann den jungen Mann aus Barsinghausen am Deister also als Betriebsnudel wie hippe Literaturmaus bezeichnen. Mit Kurzes Buch über Tobias versucht sich Nolte nun an einer autobiografischen wie parodistischen Form der Bibeldeutung: "Jede Biografie ist ein Evangelium."

Sein Protagonist Tobias fährt dabei die schweren Geschütze der Originalvorlage auf. Die frohe Botschaft erschließt sich allerdings über eher merkwürdig bis schrullig gehaltene Zeichen und Wunder. Immerhin wird Tobias zwischen dem genderfluiden Nachtleben Berlins und dem Studium des Kreativen Schreibens in Hildesheim irgendwann die in etwas altertümlichem und geschwollenem Deutsch verkündete Abscheu vor dem "Literaturbetrieb" entdecken. Dank eines orthodoxen Erweckungserlebnisses wechselt Tobias zur Theologie und verlegt sich auf eine neue künstlerische Tätigkeit.

Die frohe Botschaft im Internet

Er wirkt Wunder und verwandelt seine unglückliche Freundin Alina in einen glücklichen Hasen. Statt Bergpredigten zu halten, bringt Tobias die frohe Botschaft lieber im Internet unter die Leute, höchst erfolgreich. Er verdirbt es sich, wie es sich gehört, mit der Amtskirche und wird zum Häretiker. Das hat auch damit zu tun, dass er in einer Predigt, die um das Attentat in Christchurch kreist, seine Gemeinschaft eher beim Attentäter sieht.

Es wird überhaupt viel gegoogelt für dieses Buch. Mitunter werden einfach alle 48 Tabs aufgezählt, die Tobias gerade im Browser geöffnet hat. Auch stilistisch geht die Post ab. Mal liest man von Tobias während seines Schreibstudiums in Hildesheim verfasste, elendslange und wirklich schlechte autobiografische Prosagedichte. Es folgen Briefwechsel, Zitate aus der Popkultur und dem Milieu der geistesgeschichtlichen Proseminare. Sexszenen enden, nun, ja. Dazwischen wird gestorben und wiederauferstanden. Muss ja. Helikopter kreisen. Paranoia. Am Ende bleibt alles anders.

Man lacht sehr viel. Vor allem auch ab Seite 122. So eine lustige Wien-Beschimpfung (wie literarische Selbstkasteiung) hat man seit Jahren nicht gelesen. (Christian Schachinger, 10.4.2021)