MAN Steyr bekommt Druck wegen niedrigerer Löhne in Polen.

Foto: APA/Werner Kerschbaummayr

MAN Steyr hat ein Problem, das für Werke in hochindustrialisierten Ländern typisch ist. Saftige Lohnkosten sind nur zu rechtfertigen, wenn höhere Qualität und Produktivität gewährleistet sind. Diese Kriterien sieht MAN offenbar als nicht erfüllt an und plant eine Verlagerung der Lkw-Herstellung nach Polen, sollte der Kauf durch Siegfried Wolf scheitern.

Wie VW haben in den letzten Jahrzehnten namhafte Konzerne Fabriken in Westeuropa geschlossen, weil es sich im Osten günstiger produzieren lässt. Ob Auto-, Maschinenbau- oder Elektrokonzerne: Sie alle setzen vor allem seit der Ostöffnung auf niedrigen Lohnkosten in Ungarn, Tschechien oder Polen. Die große EU-Erweiterung 2004 sorgte für einen zusätzlichen Schub bei der Verlagerung, nach der Finanzkrise ebbte der Trend aber deutlich ab.

Verlagerungen innerhalb Europas

Studien kommen zu dem Schluss, dass die Standortverschiebungen innerhalb Europas mit Abstand die größte Bedeutung haben. Michael Landesmann vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) bestätigt das: Investitionen nach Asien – insbesondere nach China – dienten eher der Markterschließung, weniger der Kostensenkung.

Des einen Leid des anderen Freud: In Osteuropa sorgten neue Produktionsstätten westlicher Unternehmen für eine "dramatische Reindustrialisierung nach dem Kollaps", wie Landesmann sich ausdrückt. Der Wohlstand stieg, allerdings zogen die Löhne nicht voll mit, weshalb die Wettbewerbsvorteile blieben. So liegen die Lohnkosten in Polen bei gut einem Drittel jener in Österreich, vor dem EU-Beitritt war es ein Fünftel. Dazu kommt, dass die Qualifikation der Mitarbeiter meist gut und der gewerkschaftliche Organisationsgrad gering ist.

Milder Vorschlag

Sollten Verlagerungen mit einem höheren Mindestlohn in Osteuropa, wie er auch von der EU-Kommission geplant ist, gebremst werden? Den Brüsseler Vorschlag sieht Landesmann mehr als Mittel, um gegen Armut und Working Poor anzukämpfen. Das liegt daran, dass als Untergrenze der Bezahlung ein Wert von 50 Prozent des Durchschnittseinkommens gewählt wurde. Facharbeiter – wie bei MAN – werden deutlich besser bezahlt, sagt der Experte zum STANDARD. Der EU-Vorschlag sei auch deshalb "milde", weil sich die Mitgliedsstaaten bei der Lohnfindung nicht gerne dreinreden lassen wollen und um Standortvorteile bangen.

Michael Landesmann begrüßt Mindestlöhne eher aus sozialpolitischer Sicht.
Foto: JKU

Aus Sicht des deutschen Ökonomen und Soziologen Thorsten Schulten sind geringe gesetzliche Mindestlöhne und eine schwache Abdeckung mit Kollektivverträgen verantwortlich dafür, dass die Löhne in Osteuropa nicht stärker anziehen, wie er in der Publikation Diskurs meint. Da würde die diskutierte Richtlinie der EU helfen. Unverständlich ist es in den Augen Schultens, dass Österreich auf der Bremse stehe, obwohl der Standort von höheren Löhnen im Osten profitieren würde. (Andreas Schnauder, 10.4.2021)