In der zweiten Märzhälfte drängten die Massen raus ins Warme. Die Saisonalität könnte ein Mitgrund für die fallende Inzidenz Anfang April gewesen sein.

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Wien – Als die dritte Corona-Welle Mitte Februar anhob, schienen die Umstände unklar, und es war kaum abzuschätzen, mit welcher Wucht sie über das Land schwappen würde. Noch keine fünf Prozent der Bevölkerung waren geimpft, das weitere Tempo der Impfkampagne war bestenfalls Gegenstand von Spekulationen. Sars-CoV-2-Varianten wie B.1.1.7 oder B.1.351, denen in klinischen Tests eine erhöhte Infektiosität beschieden wurde, drohten sich immer stärker auszubreiten.

Diese Gefahren sahen viele Experten noch gesteigert, zumal der Lockdown in Österreich erst Anfang Februar entschärft worden war. Die exponentielle, sich immer stärker beschleunigende Zunahme der Fallzahlen, noch typisch für die ersten beiden Wellen, blieb zunächst aber aus. Trotzdem wuchs die Menge der täglichen Neuinfektionen recht konstant um durchschnittlich mehrere dutzend Fälle pro Tag und kletterte so bis Ende März auf Werte jenseits der 3.000er-Marke.

Prognosen sind schwierig …

Weil sich über den März hinweg das Impftempo kaum beschleunigte, die Ausbreitung der Mutationen aber schon, war mit einem nahen Ende der Zuwächse nicht unbedingt zu rechnen. Der emeritierte Wiener Statistikprofessor Erich Neuwirth prophezeite wohl deshalb am 21. März in der "Kleinen Zeitung": "5.000 Fälle am Ostersonntag sind realistisch."

Ähnlich sah es das sogenannte Covid-Prognose-Konsortium, dem Mitglieder verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen angehören. Das vom und im Sozialministerium eingesetzte Wissenschafterteam, das der Regierung Grundlagen zur Pandemiebekämpfung liefern soll, ging in seinem am 23. März erschienenen Report von einem Anstieg auf rund 4.500 Fälle in der Folgewoche aus (bei einer Schwankungsbreite von 3.800 bis 5.100 Fällen).

… vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen

Tatsächlich war zu dieser Zeit aber schon eine Trendwende eingetreten. Mehr als die 3.680 Neuinfektionen vom 19. März meldete die Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) seither nicht mehr. Laut der leicht abweichenden Zeitreihe des Sozialministeriums wurde der Höhepunkt der dritten Welle am 26. März erreicht. Die Inzidenz in Österreich ist von knapp 260 in den letzten März-Tagen auf zuletzt deutlich unter 200 gefallen.

Warum es zu diesem Halt und einer darauffolgenden Umkehrung der Kurve kam, lässt sich für die Fachwelt nicht abschließend beantworten. Konsortiumsmitglied und Med-Uni-Professor Peter Klimek sieht im STANDARD-Gespräch einen Mitgrund in den ausgebliebenen Schultests während der Osterferien und der darauffolgenden Distance-Learning-Regelung in der Ostregion.

Das allein kann aber noch nicht die finale Erklärung sein, denn auch wenn sie aktuell zu den am stärksten betroffenen Altersgruppen zählen, machen Schüler nur einen Bruchteil aller potenziellen Corona-Wirte des Landes aus. Und trotz weniger Schultests hat die gesamte Testintensität in Österreich eher noch zu- als abgenommen, seit das aufgezeichnete Infektionsgeschehen nachzulassen begann.

Laut Klimek könnte auch beitragen, dass regionale Maßnahmen besser wirkten, als ursprünglich vermutet. Warum die bestehenden Regelungen aber über Wochen wenig Effekt, dann gegen Ende März einen umso stärkeren zeigen sollten, bleibt ebenso rätselhaft. Relevante Maßnahmenänderungen gab es mit Ausnahme der Vorarlberger Öffnung – die den österreichweiten Rückgang eher konterkariert als stützt – seit Mitte Februar jedenfalls nicht. Und für Auswirkungen der "Osterruhe" kam die Fallzahlenverringerung zu früh; dieser Lockdown in Ostösterreich dürfte erst ab Mitte April in den Statistiken ablesbar sein.

Parallelen zu Europa

Schließlich scheinen die österreichischen Zahlen einem größeren Trend zu folgen, der Effekte bloß regionaler Maßnahmen oder Schultests noch marginaler wirken lässt: Denn die Anstiege bremsten sich Ende März nicht nur bei uns ein, sondern in weiten Teilen Europas.

Laut Klimek könnte man dafür eventuell eine Erklärung in der Saisonalität suchen. Schon im Vorjahr sorgte der Frühling für einen Rückgang der Pandemie, und in den Sommermonaten gab es auf dem ganzen Kontinent trotz Maßnahmenlockerungen kaum nennenswerte Ausbrüche mehr. Die warmen Tage im abgelaufenen März könnten ein Vorbote gewesen sein.

Mitte April bremste sich die Abwärtsbewegung in Österreich allerdings wieder ein, europaweit kam sie ihrerseits sogar wieder zum Halt. Wie das hinsichtlich der weiteren Entwicklung einzuschätzen sei, zeigt laut Klimek die Limitationen der Prognosen auf. Einer solchen Konstellation ist mit einer simplen Trendfortschreibung kaum mehr beizukommen. Für Österreich nimmt das Konsortium jedenfalls an, dass der Höhepunkt der dritten Welle trotz Mutationen und einer noch großen Impfaufgabe bereits hinter uns liegt.

Auch bei der Belegung der Intensivbetten sieht das Konsortium ein Maximum erreicht und einen weiteren Rückgang. Diese Entwicklung könne wegen anderer Methoden und Umstände sicherer abgeschätzt werden, erklärt Klimek. Zum einen könne man dabei von einer bereits gegebenen Auslastung hochrechnen, zum anderen folge der Intensivbettenbedarf recht konstant mit einigen Wochen Verzögerung auf die Inzidenz. (Michael Matzenberger, 20.4.2021)