Die "Chats" über die Postenbesetzungen bei der Öbag wurden vom STANDARD, wie auch von den meisten anderen Medien, ausführlich kommentiert. Der Grundtenor aller dieser Kommentare: Diesmal war es etwas spitz; aber im Grunde folge man hier einem historisch etablierten Muster. Der "Postenschacher" hätte Tradition. Alle früheren Regierungen hätten im Grunde das Nämliche praktiziert. Kanzler Sebastian Kurz hat das im Bundesrat ausdrücklich unterstrichen: Es sei selbstverständlich, dass wichtige Posten mit "Menschen des Vertrauens" besetzt werden.

Kurz im Bundeskanzleramt: Zur Politik gehören auch Personalentscheidungen, das sei das Wesen einer repräsentativen Demokratie.
Foto: Matthias Cremer

Das ist unzutreffend. Es war nicht immer so: Zum Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank kürte Bundeskanzler Bruno Kreisky – dem ich als Sekretär diente – den ehemaligen ÖVP-Finanzminister Stephan Koren. Chef der verstaatlichten Industrie wurde ein parteifreier Fachmann. Die Ernennung von parteifreien Ressortchefs für das Außen- und Verteidigungsministerium sollte signalisieren, dass die für den Staat zentrale Sicherheits- und Außenpolitik auf einer möglichst breiten Grundlage des Konsenses aller Parteien aufruhen sollte. Höchster Beamter im Kanzleramt blieb unbehelligt Sektionschef Roland Jiresch, der Obmann des notorisch ÖVP-nahen Cartellverbandes – CV.

Das traditionelle österreichische Berufsbeamtentum hat Kreisky nicht durch Generalsekretäre und umfassende "Message-Control" kujoniert; sondern aufgewertet – etwa durch die Schaffung einer Bundesverwaltungsakademie.

Es war nicht immer so. Und es muss nicht immer so bleiben.

Thomas Nowotny, ehemaliger Diplomat und Sekretär von Bundeskanzler Kreisky. (9.4.2021)