Sie sind gute Menschen. Zu Weihnachten und Ostern gehen die Burschen und Mädels ins Altersheim, zwischendurch wird das Tierheim mit einer Spende beglückt, bevor für die rigorose Abschiebung aller Asylwerberinnen und Asylwerber plädiert wird. Und während sie vor einer drohenden Diktatur durch staatlich vorgeschriebene Hygienemaßnahmen warnen, gilt ihr Einsatz all den Müttern, welche Heim und Herd erhalten. Die extreme Rechte hat eine fürsorgliche Seite. Auch wenn sie diese nicht selten benutzt, um im gleichen Atemzug Hass und Hetze zu verbreiten.

Die „soziale Ader“ der extremen Rechten ist kein neues Phänomen, jedoch eines, dem in den letzten Jahren vermehrt wissenschaftliche und journalistische Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Von Nachbarschaftshilfe über Jugendarbeit bis hin zum Engagement für pflegende Angehörige finden sich Aktivitäten, die „es menscheln“ lassen. Dass es dabei sicher nicht um nachhaltiges Engagement für ein inklusives und besseres gesellschaftliches Miteinander handelt, zeigt eine Analyse von Facebook-Postings der Landesgruppen des freiheitlichen Jugendverbands Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) zwischen Jänner und Oktober 2020.

Die Speerspitze der Gutherzigkeit

Im Jahresverlauf lassen sich zahlreiche mildtätige Aktivitäten identifizieren. Dabei gilt die Parole: „Junge helfen Alten und Starke helfen Schwachen“. Das Selbstverständnis als „Stärkere“ leitet sich aus dem Vokabular sozialdarwinistischer und degenerationstheoretischer Gesellschaftsvorstellungen ab. Das „Recht der Stärkeren“ wird somit zur karitativen „Pflicht“ einer gesellschaftlichen Elite, die zugleich die eigene Vorstellung sozialer Hierarchie zementiert.

Eine zentrale Strategie ist dabei das Kokettieren mit etablierten Initiativen und Organisationen, was den Anschein erweckt, es gebe eine offizielle Kooperation mit dem RFJ. Sei es eine antikapitalistische Foodsharing-Initiative oder die Kinderkrebshilfe: Die angebliche Unterstützung, festgehalten in einem Foto und einem Social Media Posting, behauptet eine Kooperation mit regional anerkannten zivilgesellschaftlichen und sozialen Organisationen, die jedoch keineswegs gegenseitig ist. Es sind strategische Momentaufnahmen, die weder mit nachhaltigem Engagement gegen Lebensmittelverschwendung noch dem Kampf für bessere gesundheitliche Versorgung einhergehen. Hinweise darauf, dass behauptete Spenden tatsächlich ankommen, gibt es dabei keine. Bemerkenswert ist auch, dass die größte Aufmerksamkeit der Menschenfeinde vor allem den Tieren gilt: Gut die Hälfte der wohltätigen Aktionen dreht sich um (Futtermittel-)Spenden für lokale Tierheime.

Einzig eine Kampagne reicht über das Muster der singulären Aktion hinaus: Im Winter 2019/20 fand eine über mehrere Wochen laufende Spendensammelaktion für ein Tageszentrum für wohnungslose Menschen statt – wenig überraschend wusste dessen Trägerorganisation nichts von ihrem „Glück“. Auch hier ist ungewiss, ob die behaupteten „zahlreichen Spenden“ überhaupt angekommen sind. Ein nachhaltiger Kampf gegen Armut und Stigmatisierung wohnungsloser Menschen lässt sich – kaum verwunderlich – nicht erkennen. Im Gegenteil heißt es, man wolle vor allem den „leistungsbereiten Obdachlosen“ damit „unter die Arme greifen“. Die sozialdarwinistischen Bedingungen rechter Caritas klingen dabei erneut an.

Die „soziale Ader“ der extremen Rechten ist kein neues Phänomen.
Foto: APA/dpa/Oliver Berg

Danke, dass ihr euch kümmert!

Darüber hinaus zeigen sich – wenig überraschend – auch mit Corona-Bezug lediglich punktuelle karitative Aktionen. Im März und April 2020 wurde die Entstehung einer Reihe von Angeboten behauptet, die ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger unterstützen sollten. Diese ehrenamtlichen Tätigkeiten einzelner lokal engagierter Kaderfiguren wurden vom RFJ als „systemrelevant“ charakterisiert, jedoch nicht weiter verfolgt. Neben dem Klopfen der eigenen Schultern erinnerte man sich in der Osterzeit an die „aufopfernde Arbeit“ von Altenpflegern und Altenpflegerinnen, die nun „süße Überraschungen“ erhielten. Denn klar sei, diese wie auch andere pflegende Tätigkeiten seien: „unersetzlich“. Das Narrativ der „Aufopferung“ entspricht dabei letztlich der Indienstnahme von Weiblichkeit und Mütterlichkeit in unbezahlte Care-Tätigkeiten. Kein Wunder also, dass auch hier der Einsatz für bessere Arbeits- und Gehaltsbedingungen nicht von Interesse ist. Die implizite Abwertung gesellschaftlich als reproduktiv wahrgenommener Tätigkeiten bleibt bestehen.

Mit Schulbeginn im September 2020 war es den Jungfreiheitlichen ein Anliegen, den durch die Coronakrise gebeutelten Familien „ein bisschen zu helfen.“ Man konnte sich per E-Mail um Schultaschen „bewerben“ – in einem Bundesland wurden in weiterer Folge drei beschenkte Familien dokumentiert, ansonsten blieb es bei der Ankündigung. Politische Forderungen rund um Kinderarmut blieben auch hier aus.

Who cares?

Auf Ebene der Realpolitik müssen die Agenden der Mutterpartei FPÖ als systematische Leistungsverweigerung bezeichnet werden: Trotz der Selbstbezeichnung als „soziale Heimatpartei“ folgt die freiheitliche Sozialpolitik einer aggressiven und autoritären Law-and-Order-Schiene, die mit immenser Paranoia der Bevölkerung gegenüber in Verbindung steht. Der Wohlfahrtsstaat wird regelmäßig mit „Sozialmissbrauch“ identifiziert und dementsprechend als repressives System mit begrenzter Anspruchsgruppe imaginiert. Bevölkerungspolitische Agenden werden auf dieser Basis mit klar rassistischen Forderungen integriert.

Im praktischen Vollzug der Jugendorganisation RFJ zeigt sich, dass helfendes Handeln in exklusiver Solidarität darauf abzielt, gesellschaftliche Ungleichheiten zu bestätigen und verstärken: Nicht nur zwischen Leistungsträgern und Sozialschmarotzern, auch zwischen der impliziten gesellschaftlichen Norm (weiß, heterosexuell, liquide) und denen, die ihr nicht entsprechen. Jede nationale Erzählung produziert Ausschlüsse.

Helfen der extremen Rechten entspringt selten reiner Nächstenliebe und Gutherzigkeit. Zweck ist kaum, dass es anderen besser geht, sondern die eigene Aufwertung aufgrund des guten Rufes der Tätigkeit selbst – gerade durch öffentliche Inszenierung. Rechte Caritas ist letztlich beliebig und unvorhersehbar, keineswegs zuverlässig oder tatsächlich an systematischer Inklusion interessiert. Der Pathos, mit dem die Aktionen beworben werden hingegen ist ein zuverlässiger Begleiter.

Die karitative Selbstinszenierung lässt erahnen, dass es dem RFJ keineswegs um eine nachhaltige Verbesserung individueller und kollektiver Lebenslagen geht und auch die Empfänger und Empfängerinnen solcher „Hilfe“ keineswegs beliebig sind. Der Aktionismus situativer Gutherzigkeit lässt keinerlei nachhaltiges Engagement erkennen, sondern gehört zum politischen Kalkül – er macht ein „schönes Gefühl“, wie es in einem Video über eine Spendenaktion heißt. Einerseits ist es die sozialdarwinistische Überheblichkeit, die aus solchen Formulierungen spricht, andererseits zeigt sich darin auch die gängige Emotionalisierung des Care-Bereichs, die dazu dient, dass Arbeit und Mühsal vergessen sind und Bezahlung der dort Tätigen nicht notwendig ist. Die hilflose Dankbarkeit der extremen Rechten den „systemrelevanten Berufen“ gegenüber zementiert eine Gesellschaft der Ungleichheiten von Geschlecht, Herkunft und Klasse und erinnert umso deutlicher an das, wofür emanzipatorische Politiken kämpfen: die Abschaffung all dessen. (Eva Grigori, 13.4.2021)

Eva Grigori ist Dozentin für Soziale Arbeit am Department Soziales der FH St. Pölten und FIPU-Mitglied.

Bei dem Beitrag handelt es sich um einen gekürzten, leicht veränderten Wiederabdruck eines Artikels aus der Zeitschrift „aep informationen“ Ausgabe 1/2020, herausgegeben von FIPU. Bestellt werden kann die Ausgabe hier.

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