Auf die von der Bundesregierung propagierte "Hilfe vor Ort" angesprochen, nannte Innenminister Nehammer Projekte im Sicherheitsbereich.

Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Wien – Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" ein Pilotprojekt zur Rückführung von Migranten ohne Bleibewahrscheinlichkeit in die Herkunftsländer angekündigt. "Wir wollen mit Bosnien einen Charter organisieren, der schon von dort Nicht-Bleibeberechtigte in die Herkunftsländer zurückschickt", erklärte der Innenminister. Momentan sei man dabei einen Charterflug zu organisieren, hieß es dazu am Sonntag aus dem Innenministerium. Das Interview Nehammers sorgte für heftige Kritik bei den Oppositionsparteien: SPÖ, FPÖ und Neos werfen Innenminister "Vertuschen", "Verantwortung abschieben" und "Täuschen" vor.

Auf die von der Bundesregierung wiederholte "Hilfe vor Ort" angesprochen, nannte Nehammer Projekte im Sicherheitsbereich. Mittels der bei einer Migrationskonferenz vergangenen Sommer in Wien gegründeten "Plattform gegen illegale Migration" habe man zum besseren Informationsfluss zwischen den Ländern beigetragen. Dass etwa österreichische Beamte in Tunesien Grenzschützer ausbilden, hätten weder Frankreich noch Italien vorher gewusst.

Kritik an Griechenland

Die von der Europäischen Union an Griechenland ausgezahlten 2,5 Milliarden Euro zur Unterstützung von Maßnahmen auf den Inseln bei der Versorgung von Flüchtlingen seien "bei weitem nicht so eingesetzt worden, wie sie es hätten sollen", sagte Nehammer weiters. Man dürfe aber nicht vergessen, dass es vor dieser Regierung in Griechenland "links-linksextreme Regierungen" gegeben habe, die dieses Geld nicht eingesetzt hätten. Mittlerweile sehe er aber ein Bemühen der griechischen Regierung, die Situation zu verbessern.

Die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage sieht Nehammer für alternativlos an, auch wenn dies "eine der größten Herausforderungen für die Kommission" sei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wisse, dass er hier eine Schlüsselposition habe und setze Flüchtlinge "immer wieder als Kapital ein", um seine Verhandlungsposition zu stärken. Es brauche daher beides, Gespräche und "die Klarheit der Europäischen Kommission, dass wir uns nicht erpressen lassen".

Nehammer wich Öbag-Fragen aus

Für die Politik in Österreich pochte Nehammer auf einen harten Kurs in Sachen Abschiebungen. Er betonte, dass das humanitäre Bleiberecht in jedem Fall geprüft werde. Man könne aber nicht Personen ohne Asylstatus einfach hier behalten, weil das Signalwirkung in den Herkunftsländern hätte und nur den Schleppern nutzen würde. Die Vorschläge der von Irmgard Griss geleitete Kindeswohlkommission werde man prüfen. Bisher liege aber noch nichts Konkretes vor.

Die geplante Novelle der Strafprozessordnung, wonach die Justiz Unterlagen von Behörden künftig in der Regel via Amtshilfe anfordern und eine Beschlagnahmung in einer Razzia nur noch in Ausnahmefällen möglich sein soll, verteidigte Nehammer. Er könne "garantieren", dass es nicht so sein werde, dass ein Minister keine Angst mehr vor einer Hausdurchsuchung haben müsse. Es gehe um die Verhältnismäßigkeit.

Im Zusammenhang mit den kritisierten Chat-Nachrichten zwischen Öbag-Chef Thomas Schmid, Finanzminister Gernot Blümel und Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) wich Nehammer den Fragen aus und bezeichnete es als "erstaunlich", mit welcher Leichtfertigkeit persönliche Nachrichten von Personen veröffentlicht werden, die nicht Teil eines Verfahrens seien. Er verwies hier darauf, dass Beamten, die das Amtsgeheimnis verletzten, schwere Strafen drohen.

Kritik der Opposition

SPÖ, FPÖ und Neos stießen sich an seinen Aussagen sowohl im Bereich Asyl als auch zur Strafprozessordnung sowie zu den Chat-Nachrichten. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner warf Nehammer vor, sich an der "Vertuschung der ÖVP-Skandale" zu beteiligen. Außerdem sei der Minister auf wesentliche Fragen wieder einmal konkrete Antworten schuldig geblieben.

Auch Neos-Innenpolitiksprecherin Stephanie Krisper hielt dem Innenminister ein "Abschieben der eigenen Verantwortung" vor. "Man tut sich schon lange bei der Beantwortung der Frage schwer, welches Regierungsmitglied am wenigsten Skrupel beweist", sagte Krisper.

Und für FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer geriet der Auftritt Nehammers zu einer "Selbstanklage einer Pleiten- und Pannenpolitik in seinem eigenen Ressort". Amesbauer konstatierte "Tarnen, Täuschen und Tricksen als Motto des Innenministers". (APA, red, 11.4.2021)