EU-Ratspräsident Charles Michel hat sich bei dem Treffen im türkischen Präsidentenpalast ohne zu zögern auf den Sessel neben Erdoğan gesetzt und damit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor laufenden Kameras brüskiert.

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Dreiertreffen von Frau von der Leyen sowie den Herren Michel und Erdoğan in Ankara: viel Gehirnschmalz ist in den vergangenen Tagen auf die Beschreibung und die Bewertung dieses Events verwendet worden. Wie bekannt, hat sich Herr Erdoğan konträr zur feinen englischen Art, nämlich in unfeiner türkischer Art benommen.

Ein Wort, "Sofagate", war schnell bei der Hand, und alle Welt rätselt nun, wie die Retorsionsmaßnahmen der EU beim Gegenbesuch des türkischen Präsidenten aussehen werden. Vielleicht wird schon ein Kommissionsbeamter auf den Handgriff eingeschult, mit dem er Erdoğan den Sessel unter dem Popsch wegzieht, wenn dieser sich setzen will. Vielleicht hat von der Leyen schon beim Brüsseler Scherzartikelhändler ihres Vertrauens ein Säckchen Juckpulver geordert, das sie Erdoğan bei Gelegenheit in den Kragen kippt.

Anti-Elmayer-Sommerschule

Als Frage bleibt: Wie lernt man eigentlich schlechtes Benehmen für den diplomatischen Bedarfsfall? Existiert eine Art Anti-Elmayer-Sommerschule an der Diplomatischen Akademie? Ein Fachhochschullehrgang, an dem man den Bachelor der Beleidigung absolvieren kann? Gibt es bei Humboldt einen Fernkurs für den kleinen bzw. den großen Rüpel ("Ich mach den großen Rüpel bei Humboldt")?

Falls es dies gäbe, wäre fix, dass sich Leute wie Erdoğan, Trump oder Bolsonaro nicht einschreiben müssen. Die sind hochtalentierte Naturrüpel, die können sich das Studiengeld sparen. (Christoph Winder, 11.4.2021)