Nie wird man den Juristen auf dem Schlachtfeld finden, im Boxring oder im Weltall. Denn er nimmt nicht teil am stöhnenden, quietschenden, brüllenden Leben, sondern er humpelt ihm nur hinterher, indem er dessen vielgestaltige, farbenfrohe Erscheinungen definiert, subsumiert und abstrahiert, kurz: verwaltet. Dieses seelenlose Bürokratendasein bringt es mit sich, dass dem Juristen alle kraftvollen Wörter fremd sind. Sein Werkzeug ist vielmehr eine fahle, übelschmeckende Kunstsprache, und eines ihrer ungenießbarsten Erzeugnisse ist das, was man "Nominalstil"1 nennt oder "Hauptwörterei"2. Damit sind "unechte" Hauptwortkonstruktionen3 gemeint, gekünstelte Floskeln ohne sprachliche Notwendigkeit.

Natürliches Deutsch versus Juristendeutsch

  • abweisen – der Abweisung verfallen, anheimfallen
  • anwenden – zur Anwendung gelangen
  • bald – in Bälde
  • ist berechtigt – kommt Berechtigung zu; noch beliebter: kann Berechtigung nicht abgesprochen werden4
  • beschließen – den Beschluss fassen
  • beweisen – Beweis erbringen
  • beziehen – Bezug nehmen
  • erwägen – in Erwägung ziehen
  • ganz – zur Gänze
  • feststellen – die Feststellung treffen
  • folgen, befolgen – Folge leisten, geben
  • leugnen – in Abrede stellen
  • hat die Kosten zu tragen – wird in die Kostentragung verfällt
  • kurz – in Kürze
  • mitteilen – in Kenntnis setzen
  • nicht – in keiner Weise; ganz schlimm: in keinster Weise5
  • gar nicht – nicht im Geringsten6
  • oft – des Öfteren7
  • rechtskräftig werden – in Rechtskraft erwachsen
  • unmöglich – ein Ding der Unmöglichkeit
  • verlieren – in Verstoß geraten
  • verdienen – ins Verdienen bringen
  • verrechnen – in Rechnung stellen
  • verzichten – Verzicht leisten
  • vorleisten – in Vorlage treten
Warum lieben Juristinnen und Juristen "Hauptwörterei" so sehr?
Foto: APA/BARBARA GINDL

Diese wichtigtuerischen Wortquallen enden oft auf ‑ung8. Deshalb werden sie von manchen9 auch "Ungerei" genannt – genau das richtige Wort für solchen Sprachdung. (Michael Rami, 14.4.2021)