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Immer wieder nutzen Neonazis DNA-Tests, um ihre "rassische Reinheit" zu beweisen.

Foto: Reuters/BERNADETT SZABO

Neonazis wären gerne so "weiß" wie möglich. Um ihre "Reinheit" zu untermauern, setzten die Rassisten immer wieder auf DNA-Tests, die Auskunft über ihre Herkunft geben sollen. Seit die Tests im Internet von immer mehr Firmen um weniger als hundert Euro angeboten werden und ganz einfach mittels Speicheltest gemacht werden können, boomen sie vor allem in den USA und Europa. Laut den Unternehmen würden die Tests ein komplettes Bild der eigenen Vorfahren zeigen und wissenschaftliche Fakten über die eigene Identität liefern.

Nicht immer finden die Radikalen auf Anhieb das, wonach sie suchen: Als beispielsweise der militante US-amerikanische Rassist Craig Cobb vor einigen Jahren das Ergebnis seines DNA-Tests in einer Live-Talkshow verlautbaren ließ, erfuhr er, dass er 86 Prozent europäisch und 14 Prozent schwarzafrikanisch sei.

Die Entdeckung des "Wikinger-Gens"

Für Cobb war das Ergebnis schlicht ein "statistisches Rauschen", sein Blut sei nach wie vor "rein". Viele andere Neonazis, die den Test machten und bei denen dieser tatsächlich hundert Prozent europäische Vorfahren zeigte, sahen sich bestärkt in ihrer "Reinheit". Jene, bei denen der Test wie bei Cobb eine teilweise afrikanische Herkunft zeigte, probierten die Tests bei so vielen verschiedenen Unternehmen, bis das für sie gewünschte Ergebnisse sichtbar wurde.

Tatsächlich dienen private Gentests für viele Menschen – nicht nur für Neonazis – als Bestätigung für das, was sie selbst sehen wollen. Das legt eine aktuelle Studie nahe, bei der Menschen in den USA, Großbritannien und Schweden befragt wurden. Die Befragten hatten allesamt einen Gentest gemacht, um herauszufinden, ob sie mit "Wikingern" verwandt sind. Fast alle Menschen sahen sich nach dem Test in ihrem "Wikinger-Gen" bestätigt, manche glaubten danach, tatsächlich ein Wikinger zu sein und sahen in dem Ergebnis die Basis ihrer Identität, so das Ergebnis der Studie.

Interpretationsspielraum

Je nachdem, womit die Menschen den Test verbanden, hatte er eine andere Bedeutung, so die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Jene, die in ihrer Familie bereits mit Gewalt zu tun hatten, erklärten sich die Gewaltbereitschaft in ihrer Familie mit dem Wikinger-Gen – ebenso verbanden jene, die sich selbst als abenteuerlustig und reisefreudig bezeichneten, diese Eigenschaften mit ihren Wikinger-Vorfahren.

Problematisch sei, dass das Symbol des Wikingers auch immer wieder mit rassistischen Gruppen und der Idee einer "weißen Reinheit" in Verbindung stehe. Eine Person, die sich als Wikinger sehe, sei deshalb zwar nicht rassistisch, betonen die Expertinnen und Experten. Trotzdem können die Gentests dazu benutzt werden, eine scheinbar wissenschaftlich fundierte Basis für Rassentrennung zu schaffen und so zu einer gesellschaftlichen Spaltung führen, warnen die Studienautoren und -autorinnen. Die DNA-Tests könnten dazu führen, dass wieder mehr Menschen an eine Rassentheorie glauben, heißt es auch in einer anderen Studie.

Problem mit Datenschutz

In der Humanbiologie spielt der Begriff der Rasse heute glücklicherweise kaum noch eine Rolle. Immerhin machen in der menschlichen DNA äußere Unterschiede, die früher als Merkmale für Rassentheorien herangezogen wurden, nur einen Bruchteil der Erbsubstanz aus. Mehr als 99 Prozent der Erbsubstanz sind bei allen Menschen ident. Auch die Identität hängt laut vielen Experten und Expertinnen viel mehr mit dem eigenen Umfeld, der Sozialisierung oder der Selbstreflexion als mit dem Ergebnis eines privaten DNA-Tests zusammen.

Nicht wenige kritisieren auch die wissenschaftlichen Kriterien solcher Tests und das Problem mit dem Datenschutz. Denn die eigene DNA gehört mitunter zu den sensibelsten Daten, die jemand von sich preisgeben kann. Immerhin können damit möglicherweise Wahrscheinlichkeiten bestimmter Erbkrankheiten berechnet werden – eine Information, die besonders für Versicherer interessant sein könnte, um die Beitragsquote danach auszurichten. Auch die Polizei ist immer wieder an privaten DNA-Daten interessiert.

Grenzen der Technologie

Die Anbieter versprechen zwar Datenschutz, trotzdem kann nie ausgeschlossen werden, dass die persönlichen DNA-Daten, die bei einer Testfirma einlangen, verkauft, veröffentlicht oder gestohlen werden, warnen viele Experten und Expertinnen. Global gesehen haben bereits 26 Millionen Menschen einen privaten DNA-Test durchführen lassen. Das wiederum lässt Rückschlüsse auf Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Menschen zu, die noch nie einen solchen Test gemacht haben. Experten und Expertinnen raten, sich genau zu überlegen, ob und an wen man solche sensiblen Daten preisgeben will.

Zudem müsse man sich laut den Autoren und Autorinnen der anfangs erwähnten Studie im Klaren sein, was solche Tests leisten können – und was nicht. Etwas über ein paar Verwandte und den Familienstammbaum erfahren: ja. Den menschlichen Charakter, Identität oder Zugehörigkeit bestimmen: wohl kaum. Was bedeutet es schon für unser Leben, wenn sich in einem Test herausstellt, dass wir zu 0,001 Prozent wikingischer Abstammung sind? (Jakob Pallinger, 13.4.2021)