Man könnte meinen, mit Harry Styles habe sich die Aufregung um einen Mann im Kleid erledigt. Zur Erinnerung: Im Dezember vergangenen Jahres griff der britische Popstar für sein erstes "Vogue"-Cover zu einem verrüschten Modell von Gucci. Die Begeisterung war groß. Umwerfend sehe der Popstar aus, so der Tenor. Nur ein paar konservative Kommentatoren waren anderer Meinung. Sie twitterten sich um Kopf und Kragen: "Bringt männliche Männer zurück!"

Solche Forderungen sind natürlich grober Unfug. Männliche Männer, wer sollen die denn sein? Erkennt man die an ihren Anzügen? Wir sollten es besser wissen: Dass Haifischkragen und Slim-Fit-Anzug mitunter mehr verbergen als verraten, wo ließe sich das besser beobachten als derzeit in Österreich?

Gut also, dass Harry Styles Unterstützung bekommen hat. Tom Neuwirth, der schon 2014 als Conchita Wurst in einem Kleid den Eurovision Song Contest gewann, räkelte sich offensiv in Stringtanga und Dessous von Rihannas Label "Savage x Fenty" vor der Kamera. Die Bilder seien die authentischsten, die es von ihm gebe, erklärte Neuwirth.

Wenn man sich die Fotos so ansieht, glaubt man das sofort. Der heimische Boulevard hingegen titelte: "Conchita Wurst erregt Insta mit nächstem Penis-Gate". Dem mag man eigentlich nur entgegnen: Wenn schon Penis-Gate, dann bitte genau so!

Tom Neuwirths genderfluides Shooting für Rihannas Unterwäschelabel "Savage x Fenty".

Genderstereotype lassen sich übrigens auch in harmlosen Blumenkleidern brechen. Das bewies Rapper Kid Cudi zuletzt in der US-Show "Saturday Night Live". Der 37-Jährige verbeugte sich in einem Kleid von Off-White vor Kurt Cobain, der Musiker war 1993 in einem ähnlichen Teil aufgetreten.

Saturday Night Live

Wie geschlechterfixiert Posen und Inszenierungen noch immer sind, führte auch das italienische Luxusmodehaus Valentino mit einer Kampagne vor. Der Fotograf Michael Bailey-Gates hatte sich selbst abgelichtet: nackt, als einziges Accessoire eine Handtasche. Was für weibliche Models lange business as usual war, irritierte viele.

"Widerlich", schrieben die einen. "Großartig", die anderen. So viel ist sicher: Unsere Sehgewohnheiten gehören noch viel öfter auf die Probe gestellt. (Anne Feldkamp, 14.4.2021)