Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ließ sich am Montag von Expertinnen und Experten beraten

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Die Liste liest sich wie ein Who’s who der Justizexperten in Österreich: Verfassungsrechtler Heinz Mayer; Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes; Walter Geyer, Gründer der Korruptionsstaatsanwaltschaft; sowie Oliver Scheiber, damals im Kabinett von Justizministerin Maria Berger (SPÖ) und heute politisch aktiver Bezirksrichter. Sie alle waren auf Einladung von Justizministerin Alma Zadić gekommen, um ein überraschend heißes Eisen zu diskutieren: die geplante Reform der Strafprozessordnung (StPO), die in die gesetzliche Neuaufstellung des Verfassungsschutzes (BVT) inkludiert worden war.

Das BVT war es – zumindest indirekt – auch, das die StPO-Reform ausgelöst hatte. Denn am 28. Februar 2018 marschierten Polizisten der Einheitsgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beim Verfassungsschutz auf, um mehrere Büros zu durchsuchen.

Das löste einen Untersuchungsausschuss aus, in dem die Hausdurchsuchung minutiös rekonstruiert werden sollte – bis heute gibt es allerdings viele Fragezeichen nach dem Motiv und dem Einfluss aus dem Umfeld von Herbert Kickl, damals blauer Innenminister.

Klar war jedoch, und so sah es auch das Oberlandesgericht Wien, dass die Hausdurchsuchung überwiegend nicht verhältnismäßig war. Man hätte eher auf das Mittel der Amtshilfe setzen sollen, also die Behördenleitung oder deren Vorgesetzte im Innenministerium um Akten bitten sollen.

Die Stimmung kippte

Unter Eindruck der BVT-Razzia, wo Polizisten klassifizierte, geheime Unterlagen durchwühlt hatten, beschloss der Nationalrat, die Regierung mit einer Überarbeitung der Materie zu beauftragen. Ziel war es sicherzustellen, dass geheime Informationen vor dem Zugriff durch Unbefugte geschützt werden – etwa, indem Verfassungsschützer eine Versiegelung für Amtsunterlagen beantragen können. Das dürfen schon jetzt Berufsgeheimnisträger, also Anwälte oder Journalisten. Dann entscheidet ein unabhängiges Gericht, ob das Material der Justiz für deren Ermittlungen zur Verfügung stehen kann.

Im Lauf der Gesetzeswerdung stellten die Beamten im Justizministerium allerdings eine rechtliche Grauzone fest. Rein theoretisch, argumentierte etwa die unabhängige Rechtswissenschafterin Zerbes, sei Amtshilfe der zwingend vorgesehene Weg, wenn die Justiz von einer Behörde Informationen wolle. Im Ministerium gelangte man zu einer ähnlichen Ansicht, weshalb Hausdurchsuchungen bei Behörden nur noch in Ausnahmefällen zugelassen werden sollten.

Das heißt nicht, dass die Behörden sich frei aussuchen dürfen, ob sie Dokumente an die Justiz übermitteln: "Auch ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Amtshilfe ist daher mit disziplinarrechtlichen Mitteln gegen den entscheidenden Beamten zu bekämpfen und führt in letzter Konsequenz zur staatsrechtlichen Verantwortlichkeit der Weisungsspitze", heißt es in den Erläuterungen zur Reform. Aber dort steht auch ein Satz, der die Debatte eskalieren ließ: "Die Anwendung von Zwang zur Erlangung des Gesuchten darf weder bereits ursprünglich anstelle eines Amtshilfeersuchens eingesetzt werden noch nach erfolgter Ablehnung durch die Behörde."

De facto hieße das, dass Razzien in Behörden, etwa im Finanzministerium, verboten werden. Gerade angesichts brisanter aktueller Causen wie Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel oder Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek sorgte das für einen Aufschrei.

Razzien sollen bleiben

Auch die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) fand scharfe Worte: Der Reformvorschlag würde "in vielen Fällen eine erfolgreiche Aufklärung von Straftaten erschweren oder gar unmöglich machen", hieß es in einer Aussendung. "Keinesfalls darf es zu einer Zwei-Klassen-Justiz kommen. Im öffentlichen und privaten Bereich müssen Beweise im gleichen Umfang gesichert werden können", betonte Staatsanwälte-Vereinigungs-Präsidentin Cornelia Koller.

Sie nahm am Montag ebenfalls an der Expertenrunde teil, die vorerst noch kein Ergebnis präsentierte. Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass eine Reform noch länger dauern werde, hieß es aus gutinformierten Kreisen. (fsc, 12.4.2021)