Wissenschafter vermuten, dass der Impfstoff von Astra Zeneca womöglich überdosiert sein könnte.

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Was vor einem Monat nur ein Verdacht war, ist vier Wochen später bereits ziemlich gut erforscht: Vaxzevria, der Impfstoff von Astra Zeneca, kann in sehr seltenen Fällen eine Blutgerinnungsstörung hervorrufen, die zu gefährlichen Blutgerinnseln führt. In Europa wurden bei 34 Millionen Impfungen mindestens 222 solcher Fälle von immunbedingter Thrombozytopenie bestätigt, mehr als 30 endeten tödlich, einer davon auch in Österreich.

Am 7. April wurde dieser "mögliche kausale Zusammenhang" auch von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bestätigt. Die EMA hielt aber wegen der niedrigen Wahrscheinlichkeit (etwa 1:100.000) am Impfstoff ohne Einschränkungen fest, weil sein Nutzen in fast allen Fällen größer sei als der Schaden.

Unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten

Dennoch verabreichen mehrere Länder Vaxzevria nach wie vor entweder gar nicht (wie Dänemark, das viel Biontech/Pfizer eingekauft hat) oder nur älteren Personengruppen (wie in Deutschland oder Frankreich).

In Australien wiederum ist die Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren, so gering, dass dort die möglichen Impfrisiken als größer eingeschätzt werden, weshalb man vom Vakzin absieht. In Großbritannien wiederum sieht man nur bei den unter 30-Jährigen eine ungünstige Nutzenkalkulation, weshalb Vaxzevria dort erst ab 31 verimpft wird.

Am Freitag wurden die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zum Zusammenhang von Impfung und immunbedingter Thrombozytopenie im angesehenen "New England Journal of Medicine" (NEJM) publiziert. In der ersten Studie geht es um elf Fälle von Blutgerinnseln in Deutschland und Österreich, in der anderen um fünf in Norwegen. Das Team um Andreas Greinacher (Uni Greifswald), das die Nebenwirkung zuerst beschrieben hat, geht davon aus, dass sie durch aktivierte Antikörper gegen den sogenannten Plättchenfaktor 4 (PF4) entsteht, was wiederum zum Rückgang der Blutplättchen und deren Verklumpung führt.

DNA als möglicher Auslöser

Unklar ist aber noch der ganz konkrete Auslöser: Zum einen könnten die PF4-Antikörper im Speziellen bei Personen aktiviert werden, die diese Antikörper bereits haben, wie Greinacher und seine Kollegen zum einen vermuten. Zum anderen haben sie negativ geladene DNA im Verdacht, die durch beschädigte Adenoviren im Vakzin abgegeben werden könnte. (Negativ geladen ist auch der Blutverdünner Heparin, der ebenfalls die PF4-Antikörper aktivieren kann und zu den gleichen Symptomen – also einer Thrombozytopenie – führt.)

Das Problem würde sich deshalb womöglich auch bei anderen Vektorimpfstoffen ergeben, die Adenoviren verwenden (wie Johnson & Johnson oder Sputnik V). Tatsächlich wurden in den USA bereits ähnliche Fälle nach Impfungen mit Johnson & Johnson registriert.

Überdosierter Impfstoff?

Auch Greinacher sieht die Möglichkeit – und schlägt im Zusammenhang von Vaxzevria mit anderen Kollegen vor, eine einfache Lösung des Problems zu überprüfen: Man könnte nur die halbe Dosis des Impfstoffs verabreichen, um so die Immunreaktionen etwas abzuschwächen, was womöglich auch die Aktivierung der PF4-Antikörper verhindere. Seiner Meinung nach könnte Vaxzevria schlicht überdosiert sein, wie er in einem aufschlussreichen Überblicksartikel im Fachblatt "Science" sagte.

Das Gute an den so rasch entdeckten Zusammenhängen: Man weiß, wie man diese Fälle erkennt und behandeln kann. Bei Verdacht einer solchen immunbedingten Thrombozytopenie, die sich Tage nach der Impfung durch Schmerzen im betroffenen Bereich bemerkbar macht, sollten rasch Tests auf PF4-Antikörper und Blutplättchen stattfinden. Das erste Mittel zur Behandlung ist hoch dosiertes Immunglobulin. Eine weitere Möglichkeit sind auch neue und nicht auf Heparin basierende Blutgerinnungshemmer. (Klaus Taschwer, 12.4.2021)