Das Kerzenmeer, das in den Wochen und Monaten nach dem Anschlag die Innenstadt füllte, wurde mittlerweile verräumt.

Foto: Christian Fischer

Bald wird der Terroranschlag von Wien genau ein halbes Jahr her sein. Am 2. November erschütterte die Tat das Land, vier Unschuldige und der Täter selbst starben, die Nachrichten beherrschten wochenlang das mediale Geschehen im In- und Ausland. Was ist seither passiert, wie ist der Stand der Ermittlungen? Und: Welche Fragen sind immer noch offen?

Klar ist in Ermittlerkreisen schon längst: Der Täter hatte unmittelbar bei der Tat keine Hilfe. Offen ist aber noch, inwieweit ihm bei Vorbereitungsarbeiten geholfen wurde. In dem Zusammenhang wurden in den Tagen nach dem Anschlag 17 Personen verhaftet, im Laufe der Monate kamen weitere Festnahmen hinzu, andere Personen wurden freigelassen, weil sich der Tatverdacht gegen sie nicht erhärtet hatte.

Jüngste Festnahmen

Dutzende Geräte wurden beschlagnahmt, zahlreiche Hinweise werden ausgewertet. Zum Teil scheinen die Auswertungen zu fruchten: In der jüngsten Zeit wurden zwei Personen festgenommen. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Österreicher mit ägyptischen Wurzeln festgenommen, er dürfte laut Medienberichten dem Attentäter zu seinem Sturmgewehr verholfen haben. Dass er es gekauft hat, wird in Ermittlerkreisen allerdings ausgeschlossen. Es gilt, wie in den weiteren genannten Fällen, die Unschuldsvermutung.

Schon im Dezember wurden mehrere DNA-Spuren auf den Tatwaffen gefunden, laut Analyse abseits des Täters von zwei Männer und zwei Frauen – wer Letztere sind, ist bislang unbekannt; einer der Männer wurde kurz vor dem Jahreswechsel festgenommen. Vor zwei Wochen wurde außerdem ein weiterer Verdächtiger festgenommen, wie Recherchen des STANDARD nun ergaben. Es handelt sich dabei um eine Person aus dem Umfeld des Täters, die im Zuge der Auswertung der beschlagnahmten Geräte verdächtig wurde.

Es soll dabei vor allem um einschlägige Chatnachrichten gehen, nicht um einen direkten Beitrag zur Tat. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt auf Anfrage die Festnahme.

Zehn Personen in U-Haft

Zehn Personen, die auf irgendeine Art mit dem Terroranschlag zusammenhängen sollen, sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wien nun in U-Haft. Anfang Mai läuft bei einigen von ihnen eine Frist ab: Nach sechs Monaten muss die Staatsanwaltschaft darlegen, warum die Ermittlungen in einem bestimmten Fall so umfangreich sind, dass die Untersuchungshaft noch länger aufrechtgehalten wird. Ein Richter oder eine Richterin entscheidet dann, ob sie weiter verlängert werden kann. Die Anwälte der Inhaftierten rechnen zum Teil mit Enthaftungen. Grundsätzlich aber kann eine U-Haft bis zu ein Jahr lang dauern.

Die Vorwürfe gegen die Inhaftierten sind recht unterschiedlich, wie Gespräche mit deren Anwälten zeigen. So geht etwa Nikolaus Rast davon aus, dass sein Mandant einer jener Inhaftierten sein wird, die bald freikommen. Gegen ihn stehe, so Rast, der Vorwurf im Raum, "dass er im Jahr 2015 irgendeine SMS mit radikalem Hintergrund bekommen hat, mit dem 2. November hat er nichts zu tun".

Zentrale Fragen offen

Stattdessen stellte die Stadt Wien ein Denkmal auf.
Foto: Robert Newald

Verdächtig erschienen den Behörden auch jene zwei Verdächtige, die Anwalt Rudolf Mayer vertritt. Sie brachten K. F. wenige Stunden vor dem Attentat ein "islamisches Buch" zurück. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass das Treffen und die Tat in Verbindung stehen. Mayer sieht das anders und will nun Enthaftungsanträge für die beiden Männer stellen.

Geklärt ist nach wie vor nicht, wie der Täter in der Nacht des Anschlags in die Innenstadt kam. Dass er mit Öffis, einem Taxi oder anderen Fahrtendiensten kam, schließen die Ermittler aus. Damit bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder er ging zu Fuß von seiner Wohnung in Donaustadt zum Tatort am Schwedenplatz in die Innenstadt, oder er wurde von jemandem hingebracht.

Laufende Ermittlungen

Als Reaktion auf das Attentat drängte die Regierung die Islamische Glaubensgemeinschaft dazu, die Tewhid-Moschee in Wien zu schließen, weil diese vom Attentäter K. F. als Teil einer Gruppe besucht wurde. Auch war sie in der Vergangenheit wegen radikal islamistischer Umtriebe im Fokus des Verfassungsschutzes.

Dieses zentrale Vorhaben scheiterte nun, die Moschee darf wieder öffnen. Unter anderem, weil laut Vereinspolizeibescheid niemand aus der Gruppe eine Funktion im Moscheeverein innehatte. Auch sei nicht nachweisbar, dass im Verein Jihad-verherrlichende Predigten getätigt wurden. In der Luft hängen die Ermittlungen gegen angebliche Muslimbrüder nach der Razzia vom 9. November. Laut Staatsanwaltschaft ist ein Ende nicht absehbar. Der Vorwurf der Terrorfinanzierung dürfte sich bislang noch nicht erhärtet haben. (Gabriele Scherndl, Jan Michael Marchart, 13.4.2021)