Bei der Corona-Demo am Samstag waren nicht nur Vertreter des Identitären-Ablegers "Die Österreicher", wie immer weiß gekleidet, dabei, sondern auch Musikanten.

Foto: Markus Sulzbacher

Rechtsextremisten neben Impfgegnern, Esoteriker neben christlichen Gruppen und Hooligans neben Parlamentsabgeordneten. Im vergangenen Pandemiejahr haben bei den beinahe wöchentlich stattfindenden Corona-Demonstrationen unterschiedliche Gruppen zueinandergefunden. Sie alle eint die Überzeugung, ihre Grundrechte würden zu Unrecht eingeschränkt. Viele sind auch der Meinung, es werde eine Diktatur errichtet und eine geheime Elite habe das Coronavirus in die Welt gesetzt, um Menschen in ihre Marionetten zu verwandeln.

"Nicht das Volk"

Wie ticken die Menschen, die "Kurz muss weg" oder "Friede, Freiheit, keine Diktatur" skandieren? Wie groß ist die Unterstützung der Demonstrierenden in der Bevölkerung? Eine Antwort darauf liefern Noelle S. Lebernegg und Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien. Die Wissenschafterin und der Wissenschafter haben im Rahmen des Austrian Corona Panel Projects eine Umfrage durchgeführt.

"Für uns waren zwei Dinge besonders wichtig. Erstens wollten wir wissen, wie viel Rückhalt diese Demonstrationen in der Bevölkerung wirklich haben, und zweitens wollten wir wissen, was die Unterstützer und Unterstützerinnen dieser Demonstrationen vereint", sagt Eberl. Die Daten zeigen, dass die Demonstrationen tatsächlich nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung haben. "Die Demonstranten und Demonstrantinnen sind daher nicht ‚das Volk‘, obwohl sie es oft bei Demonstrationen so skandieren", sagt Eberl.

Laut der Umfrage unterstützen 15 Prozent der in Österreich lebenden Menschen die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Noch weniger würden selbst an einer solchen teilnehmen (elf Prozent) – schon gar nicht, sollte sie nicht genehmigt sein (acht Prozent).

Foto: https://viecer.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/z_viecer/Blog107_Abb.1.jpg

"Die wirtschaftlichen Sorgen sind scheinbar nur ein Strohmannargument"

Außerdem spielt die wahrgenommene persönliche wirtschaftliche Bedrohung trotz Demonstrationstiteln wie "Corona und die Wirtschaftsfolgen" in der Unterscheidung zwischen Unterstützern und Unterstützerinnen und Kritikern und Kritikerinnen nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

"Die wirtschaftlichen Sorgen sind daher scheinbar für viele Unterstützer und Unterstützerinnen nur ein Strohmannargument. Viel auffälliger ist da ihr Glaube an Verschwörungstheorien und Coronavirus-verharmlosende Tendenzen", führt Eberl weiter aus.

Foto: https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog107/

Unter anderem werden die internationalen Bemühungen in der Pandemiebekämpfung mit einer "globalen Weltverschwörung" gleichgesetzt. 39 Prozent der Demonstrationsunterstützer und -unterstützerinnen sind sich "eher sicher" oder "sehr sicher", dass Bill Gates die Menschheit "zwangsimpfen" wolle, um "viel Geld zu verdienen". Weitere 22 Prozent sind "unsicher", ob diese Aussage nicht doch richtig sein könnte. Bei jenen Befragten, die die Demonstrationen gegen die Maßnahmen eher ablehnen, ist der Anteil an Personen, die diese Aussage als richtig einschätzen, mit nur fünf Prozent deutlich kleiner.

Erschreckend geringe Impfbereitschaft

Was die Demonstrationsunterstützer und -unterstützerinnen tatsächlich am meisten vereint und am stärksten vom Rest der Bevölkerung unterscheidet: Sie empfinden die Maßnahmen als nicht gerecht. "Dass sie diese ungerecht finden, hat aber scheinbar vor allem damit zu tun, dass sie das Coronavirus verharmlosen und unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen. Damit geht auch eine erschreckend geringe Impfbereitschaft einher", sagt Eberl.

45 Prozent der Demonstrationsunterstützer und -unterstützerinnen lehnen die Aussage ab, dass das Coronavirus gefährlicher sei als die normale Grippe ("trifft eher nicht zu" oder "trifft gar nicht zu"). Bei jenen, die die Demonstrationen nicht unterstützen, entspricht dieser Anteil einer deutlichen Minderheit von nur acht Prozent. Besonders augenfällig ist die fehlende Test- und Impfbereitschaft. 53 Prozent der Pro-Demo-Gruppe haben sich innerhalb der letzten vier Wochen kein einziges Mal testen lassen. Bei jenen, die die Demonstrationen nicht unterstützen, ist dieser Anteil mit 26 Prozent gerade einmal halb so groß.

Noch deutlicher ist das Bild allerdings bei der Impfbereitschaft. Lediglich 16 Prozent der Pro-Gruppe beantworten die Aussage "Ich werde mich ehestmöglich impfen lassen" mit "trifft eher zu" oder "trifft voll und ganz zu". Der Weg aus der Krise werde "nicht gemeinsam mit diesen Menschen zu beschreiten sein, aber trotz ihnen", resümieren Lebernegg und Eberl. Bei jenen, die die Demonstrationen eher ablehnen, ist die Impfbereitschaft mit 62 Prozent fast viermal so hoch. (Markus Sulzbacher, 14.4.2021)