Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) während der Pressekonferenz zum Thema Comebackplan.

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Unternehmenshilfen, Kurzarbeit, Testprogramme: Die Corona-Krise kommt den Staat teuer. Kein Wunder, brach doch die Wertschöpfung im Vorjahr um knapp sieben Prozent ein. Österreich könne sich das leisten, versicherte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Montag abermals und kündigte eine Aufstockung des laufenden Budgets an. Über das Ausmaß äußerte sich der Minister bisher noch nicht.

Denn dieses soll mit dem am Wochenende vorgestellten "Comeback-Plan" verknüpft sein. Angedacht sind Investitionen in erster Linie im Bereich Digitalisierung und Ökologisierung sowie am Arbeitsmarkt. Auch die Covid-Hilfen sollen fortgesetzt werden, wie Blümel ankündigte. Gleichzeitig sei ein Ende der Gesundheitskrise absehbar, deshalb wolle man nun den "Comeback-Turbo zünden".

Opposition skeptisch

Zumindest einen Teil der Pläne wird die Regierung wohl durch Mittel aus dem EU-Aufbaufonds decken. Rund 3,5 Milliarden Euro kann Türkis-Grün aus Brüssel abholen. Wohin das Geld fließen soll, ist trotz der nahenden Deadline Ende April nicht bekannt.

Die Opposition zeigte sich nach dem ersten Arbeitstreffen zum Comeback-Plan skeptisch. Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn sprach von einer "Regierungs-Show-PK ohne neue Inhalte". In eine ähnliche Kerbe schlugen auch die Freiheitlichen. Sie orten gar "eine Verhöhnung der Menschen und der Unternehmen". Ein Überblick, was Regierung und andere Gruppierungen für notwendig erachten.

Die Rakete in den Konjunkturhimmel, noch dazu ökologisch angetrieben, muss erst entwickelt werden.
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  • Ökologisierung: Klimaschutz sei der beste Weg, um sich aus der Krise rauszuinvestieren, ist seit einem Jahr von den Grünen zu hören. Seither wurde üppig investiert – weder bei der Bahn noch bei den Erneuerbaren drückte die Koalition auf die Kostenbremse. Auch im Comeback-Plan soll das Klima großgeschrieben werden. Zu den genauen Details hält man sich bei den Grünen bedeckt, erste Pläne sollen im Laufe der Woche präsentiert werden. Am Montag wurden nur erste Überschriften zu den Vorhaben verkündet, die sehr ähnlich bereits im Regierungsübereinkommen formuliert wurden: Ökologisierung der Wirtschaft, Ausbau der Öffis und eine ökosoziale Steuerreform. Angesichts der wirtschaftlichen Lage im Land wird hier jedenfalls mehr notwendig sein als Förderprogramme. Vielen Betrieben fehlt derzeit zur Gegenfinanzierung schlichtweg die Liquidität. Darüber hinaus werden Umschulungen erforderlich sein: Viel Klimaschutzgeld bringt nur wenig, wenn es im Land nicht genügend Fachkräfte gibt, um etwa Solaranlagen zu installieren. Hier braucht es dementsprechende Ausbildung. Darüber hinaus ist nach wie vor die CO2-Bepreisung ausständig.

  • Digitalisierung: Bürokratie, Unternehmen, Schulen – Digitalisierung umfasst fast jeden Lebensbereich. Entsprechend breit sind die Ideen der Regierung, um das Land auf den neuesten Stand zu bringen. Es gibt Luft nach oben: Österreich liegt beim Ausbau des Breitbandnetzes unter dem Durchschnitt der reichen Industriestaaten, wie der jüngste OECD-Digitalisierungsbericht zeigt. Vor allem bei den Glasfaseranschlüssen hinkt das Land hinterher. Nur ein paar Prozent haben einen solchen, obwohl das Netz bis an Verteilungsknoten weiter ausgebaut ist, fehlt hierzulande oft die letzte Meile, die finalen Meter. Im fünfmal so großen Schweden sind bereits 70 Prozent der Bevölkerung mit Glasfaser versorgt. Eine zweite Breitbandmilliarde steht im Regierungsprogramm; die erste, finanziert aus Frequenzauktionen, wurde 2013 beschlossen. Langfristig sei es wichtig, digitale Fähigkeiten zu vermitteln, sagt Agnes Kügler vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Bei Berufsschulen gebe es viel Potenzial. Heimische Klein- und Mittelunternehmen hätten noch digitalen Aufholbedarf, vom Online-Shop bis zur Buchhaltung. Der Staat muss als Vorbild wirken. Dazu wurde jüngst der mit 160 Millionen Euro über zwei Jahre dotierte Digitalisierungsfonds beschlossen. Für den Breitbandausbau 2021 sind rund 260 Millionen vorgesehen. Beide Pakete könnten von der geplanten Budgetaufstockung erfasst sein.

  • EU-Aufbaufonds: Die Opposition und auch namhafte Experten werden schon langsam ungeduldig. Rund 3,5 Milliarden Euro aus dem EU Recovery Fund harren der Abschöpfung durch die österreichische Regierung. Doch obwohl konkrete Projekte, die die Union finanziert, bis Ende April eingereicht werden müssen, gibt es noch keine bekannten Pläne aus Wien. Andere Länder sind da schon viel weiter. Im Hintergrund lief die Abstimmung bisher nicht optimal. Das Finanzministerium würde Mittel gerne teilweise für bereits fixierte Maßnahmen wie den Bahnausbau aus dem Wiederaufbaufonds lukrieren, EU-Gelder würden somit faktisch das Defizit senken. Es wird davon ausgegangen, dass derartige Pläne auf Widerstand in Brüssel stoßen. Das Klimaministerium wiederum setzt auf zusätzliche Projekte, EU-Ministerin Karoline Edtstadler koordiniert die Vorhaben. Insgesamt müssen mindestens 37 Prozent der Mittel in den Klimaschutz fließen, 20 Prozent in die Digitalisierung. Die Opposition, aber auch einige Interessenvertretungen und Länder, beklagen bereits den langsamen Fortgang und die Intransparenz der Vorbereitung.

  • Kaufkraft: Die Investitionen anzukurbeln mag schön und gut sein, aber die meisten Jobs gibt es im Bereich der Dienstleistungen. Ob Menschen zum Friseur gehen, Sportgeräte oder Autos kaufen, hängt stark von ihrem Einkommen ab. Die Geldbörsen der Österreicher wurden von hoher Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit einigermaßen strapaziert, auch kleinen Selbstständigen setzt die Krise massiv zu. Daher käme die Stärkung der Einkommen einem effektiven Konjunkturprogramm gleich, das viele Jobs sichern und schaffen würde, meinen vor allem Arbeitnehmervertreter. Eine Variante wäre eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengelds – im Vorjahr gab es zwei Einmalzahlungen von je 450 Euro. Eine nachhaltige Erhöhung der Überweisungen würde das Vertrauen und den Konsum erhöhen, lautet die Devise. Doch auch die arbeitende Bevölkerung sollte entlastet werden. Beispielsweise durch Direktzahlungen, wie sie in den USA fließen: Besonders wirksam wären Gutscheine, die nur bei österreichischen Betrieben eingelöst werden können. Denkbar wären auch geringere Abgaben, die ebenfalls den Nettolohn erhöhen würden. Allerdings: Im Comebackplan finden sich bisher keine Hinweise auf die Stärkung der Kaufkraft.

  • Arbeitsmarkt: Ende März waren knapp eine halbe Million Menschen auf Jobsuche und etwa gleich viele in Kurzarbeit – diese wurde übrigens jüngst bis Ende Juni verlängert. Ziel sei es, aus diesen Gruppen 500.000 Menschen in volle Beschäftigung zu bringen, sagte Arbeitsminister Martin Kocher am Montag. Auch wenn sich die Wirtschaft rasch erholt, sobald das soziale Leben dank Impfung und Lockerungen weitergeht, befürchten Arbeitsmarktexperten, dass ein Sockel von Langzeitarbeitslosen bleibt. Wenn Österreich eine hinausgezögerte Pleitewelle durchmacht, wird ein laufender Strukturwandel in einigen Branchen beschleunigt – Stichwort E-Commerce. Gleichzeitig befürchten Branchenvertreter, dass der regionale Fachkräftemangel, etwa in der Hotellerie, einzementiert wird, je länger Betriebe geschlossen bleiben. Für Langzeitarbeitslose soll es mehr Förderprogramme geben, sagte Kocher am Montag. Der Arbeitsminister liebäugelt außerdem mit einer Reform des Arbeitslosengelds, um bessere Anreize zu schaffen. Zu dem Zweck würde dieses anfangs erhöht und mit der Zeit abgesenkt, wie es in vielen Ländern üblich ist. (Nora Laufer, Andreas Schnauder, Leopold Stefan, 13.4.2021)