Gesundheitsminister Rudolf Anschober verbrachte fast seine gesamte Amtszeit mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie.

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Wien – Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat Dienstagvormittag seinen Rücktritt bekanntgegeben. Sein Ressort hatte zuvor in einer Aussendung eine "persönliche Erklärung" angekündigt.

Vertraute des Gesundheitsministers sowie grüne Abgeordnete bestätigten in Gesprächen mit dem STANDARD schon davor, dass Anschober seinen Rücktritt verkünden würde – auch auf Anraten seiner Ärzte. Denn Anschober hatte zuletzt erneut mit Kreislaufproblemen zu kämpfen, wie Vizekanzler Werner Kogler bestätigte. Der Grünen-Chef kündigte für 12 Uhr eine Pressekonferenz zu "Personellem" an, in der offenbar über Anschobers Nachfolge gesprochen werden soll. Anschober sprach übrigens bei seiner Abschieds-Pressekonferenz von der Angelobung seines "Nachfolgers". Die männliche Form verwendete er auch in einem Twitter-Eintrag.

Spekulationen über Nachfolge

Als Nachfolger ist Wolfgang Mückstein, Allgemeinmediziner in Wien, im Gespräch. Nach STANDARD-Informationen verdichteten sich zuletzt die Hinweise darauf, dass Mückstein zum Zug kommen wird. Diskutiert wurde auch über Sigrid Pilz, Patientenanwältin der Stadt Wien und ehemalige grüne Gemeinderatsabgeordnete. Die 62-Jährige ist seit Juli 2012 Patientenanwältin, davor saß sie seit 2001 im Gemeinderat. Sie ist zudem Mitglied des ORF-Stiftungsrats.

Auch Stefan Wallner, Ex-Bundesgeschäftsführer der Grünen und seit dem Vorjahr Kabinettschef Koglers, wurde als möglicher Nachfolger genannt. Wallner war direkt davor für wenige Monate auch Generalsekretär im Sozialministerium von Anschober. Aus dem Rennen dürfte Martina Berthold, grüne Stadträtin in Salzburg sein, sie wurde zuvor ebenfalls genannt. Eine Entscheidung soll um 12 Uhr bekanntgegeben werden.

Bereits im März hatte Anschober eine Auszeit einlegen müssen. Nach einem Zusammenbruch war er damals mehrere Tage im Krankenhaus, wurde durchgecheckt, erholte sich und trat nach einer Woche wieder im Büro an. Im vergangenen Jahr habe er ein einziges Wochenende freigehabt, sagte er.

Fix ist, dass die Nachfolgerin oder der Nachfolger mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie nicht viel Zeit zur Einarbeitung erhalten wird. Aufgrund der angespannten Lage in den Intensivstationen vor allem der Ostregion haben erst am Montag Wien und Niederösterreich beschlossen, den Lockdown erneut zu verlängern – und zwar bis zum 2. Mai.

Die Details zu den potenziellen Nachfolgern:

Wolfgang Mückstein

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Der Allgemeinmediziner ist im Vorstand der Grünen Ärztinnen und Ärzte innerhalb der Ärztekammer und Mandatar in der Sektion Allgemeinmedizin der Ärztekammer Wien. In der Kammer setzte er sich bisher vor allem für Kassenärztinnen und transparentere Abläufe ein.

Mückstein hat Medizin an der Universität Wien studiert. 2010 stieg er als Partner in die Gruppenpraxis Medizin Mariahilf ein und baute sie zu einem Primärversorgungszentrum aus, das 2015 im Zuge der Gesundheitsreform als Pilotprojekt umgesetzt wurde. Mückstein ist Verfechter einer Neuaufstellung der Allgemeinmedizin in Wien in Form des sogenannten "Wiener Modells", das unter anderem die Einrichtung von Primärversorgungszentren fördern soll.

Von Anschober wurde er im Herbst in die Erstellung der Teststrategie für den niedergelassen Bereich eingebunden. Dabei trat er auch auf Pressekonferenzen gemeinsam mit Anschober auf.

Sigrid Pilz

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Seit fast neun Jahren, nämlich Juli 2012, ist Sigrid Pilz bereits Patientenanwältin in Wien. Sie studierte Erziehungswissenschaften und Psychologie in Innsbruck. Während des Studiums war sie Mitarbeiterin und Leiterin eines Jugendzentrums für benachteiligte Jugendliche. Ab 1985 war sie bereits im Sozialministerium tätig, als Leiterin der Abteilung für Internationale Familien- und Jugendpolitik. Außerdem war sie Lektorin an der Universität Innsbruck. Sie war ab 2001 Abgeordnete im Wiener Gemeinderat, wo sie zuletzt grüne Gesundheitssprecherin war. Einer ihrer Schwerpunkte war die Aufdeckung der Missstände im Pflegeheim Lainz. Pilz ist Mutter von zwei Kindern, zu Peter Pilz, dem ehemaligen grünen Nationalratsabgeordneten, besteht keine Verwandtschaft.

In der Corona-Krise trat sie zuletzt vehement für die Durchimpfung von Hochrisikogruppen ein. Damit könne auch verhindert werden, "dass man die Intensivstationen füllt". Mit der aktuellen Impfstrategie zeigte sie sich nicht zufrieden. Akut gefährdete Menschen, Patienten, die auf eine Herzoperation warten, schwer COPD- sowie MS-Kranke oder jene, die auf eine Chemotherapie warten oder eine benötigen, müssten sofort geimpft werden, forderte Pilz vor rund einer Woche.

Überhaupt trat Pilz in der Vergangenheit als starke Impfbefürworterin auf. Vor drei Jahren forderte sie im STANDARD eine Impfpflicht auch für niedergelassene Ärzte und Gesundheitspersonal – etwa für Hebammen, denn sie haben mit Kindern und Menschen mit geschwächtem Immunsystem Kontakt. Sie bezeichnete es auch als sinnvoll, eine Impfpflicht für Kindergartenpersonal einzuführen.

Stefan Wallner

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Ein Leben als Generalsekretär – so könnte man die berufliche Seite von Stefan Wallner zusammenfassen. Zumindest ist der Generalsekretär in der Vita des gebürtigen Steirers fest verankert. Ob in ehrenamtlicher Funktion bei der Katholischen Hochschuljugend Österreichs – oder dann hauptberuflich von 1999 bis 2009 als Generalsekretär der Caritas. In dieser Zeit war Wallner als Vertreter der Hilfsorganisationen maßgeblich beteiligt an den Verhandlungen und an der Umsetzung von Mindestsicherung, Pflegefonds, steuerlicher Absetzbarkeit von Spenden und Ausbildung im Sozialbetreuungsbereich.

Im November 2009 verließ Wallner seinen "Traumjob", um "mit den Grünen eine 'Liebesheirat, keine Vernunftehe' einzugehen". Im Dezember 2009 wurde er im Erweiterten Bundesvorstand zum grünen Bundesgeschäftsführer gewählt. Im Dezember 2016 wechselte er zur Erste Bank, wo er für Markensteuerung und Kommunikation zuständig war.

Sein politisches Comeback feierte Wallner mit Aschobers Amtsantritt als Generalsekretär als Gesundheitsminister. Mit Anfang Juni 2020 wechselte er in das Kabinett von Vizekanzler Kogler im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

Der 1971 in Graz geborene Wallner gilt auch als unverzichtbares Bindeglied zur ÖVP. Möglich, dass diese Verbindung noch aus beruflichen Anfangstagen herrührt: Von 1995 bis 1998 war Wallner unter anderem Mitarbeiter der Julius-Raab-Stiftung, einer Einrichtung unter dem Dach der Politischen Akademie der ÖVP.

Martina Berthold

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Die 51-jährige Salzburgerin Martina Berthold gehört zu den wenigen Grünen mit Regierungserfahrung. Sie war von 2013 bis 2019 Landesrätin für Bildung, Frauen, Integration, Jugend und Sport in der ersten schwarz-grünen Salzburger Landesregierung. Obschon eigentlich für die "Wohlfühlressorts" zuständig, musste sie sich 2015 erstmals als Krisenmanagerin bewähren: Als Integrationslandesrätin organisierte sie – gemeinsam mit der Stadt Salzburg – die Versorgung und Durchreise von hunderttausenden kriegsvertriebenen Flüchtlingen Richtung Deutschland.

Die in Oberösterreich Geborene musste aber nach dem Wahldebakel der Grünen bei den Landtagswahlen 2018 und dem Verlust von zwei der drei Regierungssitze in die zweite Reihe zurücktreten und wurde Klubobfrau im Landtag.

Die promovierte Erziehungswissenschafterin wechselte wenige Monate später als Spitzenkandidatin der grünen Bürgerliste in die Salzburger Stadtpolitik. Hier führt sie nach erfolgreich geschlagener Gemeinderatswahl seit 2019 das Bauressort. (krud, ek, rwh, neu, mro, 13.4.2021)