Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) tritt zurück. Die vergangenen 15 Monate hätten sich für ihn angefühlt wie 15 Jahre.

Foto: APA/ Roland Schlager

Er war seit Wochen der Wackelkandidat in der Regierung. Immer wieder hieß es: Geht er womöglich? Oder, weniger charmant: Steht der das durch? Der Boulevard spekulierte über seinen Gesundheitszustand; immer wieder war er auch angeschlagen. Er hatte im vergangenen Jahr einen der härtesten Jobs im Land. Seine Arbeitstage waren lang und pausenlos, die Entscheidungen weitreichend, auch die Kritiker laut. Am Dienstag gab Gesundheitsminister Rudolf Anschober nun seinen Rücktritt bekannt.

Mit gebrochener Stimme erklärte er bei einer Pressekonferenz in seinem Haus, dem Sozialministerium, dass er seine Funktion vor 15 Monaten mit großer Freude angetreten habe – aber nun nicht mehr könne. Er habe alles gegeben, aber fühle sich nicht mehr "voll fit". "Mir ist die Kraft ausgegangen", sagt Anschober. Steigender Blutdruck, beginnender Tinnitus, vor einem Monat ein Kreislaufkollaps. Es gehe nicht mehr. Zumindest kurzfristig. Doch die Pandemie mache keine Pause. Das könne deshalb auch der Gesundheitsminister nicht. Kommenden Montag werde der Bundespräsident ihn des Amtes entheben.

Im Jahr 2003 leistete Anschober in der schwarz-grünen oberösterreichischen Koalition unter Landeshauptmann Josef Pühringer Pionierarbeit.
Foto: APA/ rubra

Anschober ist ein grünes Urgestein. Der 60-Jährige wuchs im oberösterreichischen Schwanenstadt auf. Sein Vater war ÖVP-Politiker. Ein politischer Weg, mit dem Anschober nicht viel anfangen konnte. Der gelernte Volksschullehrer war ein Grüner erster Stunde, sozialisiert durch die Anti-Atom-Bewegung. Und in der damals neuen Ökopartei ging es steil bergauf für ihn.

Zwölf Jahre Schwarz-Grün

Im November 1990 zog Anschober als grüner Abgeordneter in den Nationalrat ein. Er wurde Sprecher für Verkehr, Sicherheit und atomare Fragen. Sieben Jahre später kehrte er nach Oberösterreich zurück. Anschober wurde zuerst Klubobmann im Landtag. Im Jahr 2003 führte er die Grünen in ihre erste Landesregierung mit der ÖVP. Zwölf Jahre lang verantwortete er schließlich unter Landeschef Josef Pühringer die Agenden Umwelt und Energie.

Der Job brachte Anschober schon damals zum ersten Mal an seine Grenzen. Im Herbst 2012 wurde bei ihm ein Burnout diagnostiziert. "Mein Erschöpfungszustand ist so massiv, dass die einzig zielführende Therapie eine absolute Schonung nötig macht", sagte Anschober damals. Es folgte eine Auszeit. Eine, die er sich heute nicht nehmen könne. Wobei er bei seinem Rücktritt als Minister betont: Ein Burnout sei das diesmal nicht. Er sei erschöpft, überlastet, nicht weniger, nicht mehr.

Zwölf Jahre später wechselte die oberösterreichische Farbenlehre auf Schwarz-Blau. Anschober blieb der einzige grüne Landesrat.
Foto: FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Als Pühringer 2015 eine Koalition mit den Freiheitlichen einging, blieb Anschober aufgrund des Proporzes Landesrat – neben Umwelt auch für Integration. Das neue Thema machte ihn schließlich endgültig bundesweit bekannt. Anschober stampfte die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" für Geflüchtete aus dem Boden, die auch in Wien und über Parteigrenzen hinweg viel Aufmerksamkeit bekam.

Von Anfang an Ministerkandidat

Sein Engagement brachte ihm innerhalb der Grünen großes Renommee ein – und verlieh ihm politisches Gewicht. Das grüne Urgestein spielte bei den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen eine tragende Rolle und galt von Anfang an als Ministerkandidat.

In der Pandemie wurde Anschober nun zu etwas, das er nie hätte werden sollen: dem obersten Gesundheitsmanager des Landes. Als er seinen Job im Jänner des Vorjahrs antrat, war er in erster Linie Sozialminister mit vielen Plänen, erst danach kam der Gesundheitsressortchef, für den – muss man sagen – er auch keine fachspezifische Qualifikation mitbrachte. Die Corona-Krise stellte alles auf den Kopf.

In der türkis-grünen Koalition wurde Anschober Gesundheits- und Sozialminister und hatte gleich zu Beginn mit der Corona-Pandemie die größte Krise seit Jahrzehnten zu managen.
Foto: APA/ Roland Schlager

Durch seine Rolle als wichtigster Minister, als Kopf der Pandemie, bekam er auch parteiintern einen neuen Status: Er war der Mann der Grünen in der Regierung, zeitweise der mit Abstand beliebteste Grünen-Politiker im Land. Parteichef Werner Kogler rückte in den Hintergrund, alle Augen waren auf Anschober gerichtet. Das war ihm nicht unangenehm, aber wohl manchmal etwas viel. Der Oberösterreicher ist deutlich strapazierfähiger, als er oft wirkt, aber sehr sensibel. Bei seiner Abschiedsrede hatte er Tränen in den Augen.

Kein leichter Koalitionspartner

Mit der ÖVP hatte Anschober es oft nicht einfach. Er selbst hat das nie in klaren Worten beklagt. Anschober blieb bei Andeutungen, der Diplomat, der er ist und vor allem immer sein wollte. Gerade sein Verhältnis zu Kanzler Sebastian Kurz verteidigte er gerne und ambitioniert: Man ziehe an einem Strang, wenn es um die Krise gehe. Punkt. Im Hintergrund liefen dennoch politische Spielchen, denen das ministeriell-taktisch unerfahrene Kabinett Anschobers nicht immer gewachsen war. Die ÖVP hatte dem Team von Anschober jahrelange Erfahrung, vielleicht auch eine gewisse Abgebrühtheit voraus. In seiner Abschiedsrede erwähnte Anschober den Koalitionspartner mit keinem einzigen Wort.

Anschober hatte Hochphasen und Tiefs in der öffentlichen Wahrnehmung. Das Pandemiemanagement lief alles andere als reibungslos. Die zweite Corona-Welle traf Österreich deutlich härter als andere Länder. Auch beim Impfen hinkt das Land hinterher.

Insbesondere vor der zweiten, heftigen Welle der Pandemie wurde immer wieder darüber spekuliert, ob er vielleicht irgendwann Bundespräsident werden könnte, wenn Alexander Van der Bellen nicht mehr möchte. Anschober selbst hat stets bestritten, das werden zu wollen. Vermutlich meinte er das auch wirklich ehrlich. In Gesprächen hat er immer wieder betont: Wenn er irgendwann nicht mehr Gesundheitsminister ist, freue er sich vor allem auf eines – etwas Ruhe. Dann könne er endlich seinen ersten richtigen Roman verfassen. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 13.4.2021)