Gedenken an die Terroropfer in Wien.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien – Der Presserat hat krone.at für einen irreführenden Artikel über den eventuellen Auslöser des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt gerügt. Der am 14. November 2020 erschienene Beitrag "Fatale Kettenreaktion: SMS löste Terrornacht aus" erwecke den Eindruck, dass eine Telekomfirma für das Versenden einer Routinemeldung an den Attentäter Mitverantwortung für die spätere Tat habe. Nach Auffassung des Senats 2 kann aber weder ihr, noch den Behörden ein Vorwurf gemacht werden.

Der Attentäter wählte zwei Tage vor dem Anschlag mit seinem Handy den Notruf, um einen Einbruch im Keller seines Gemeindebaus zu melden. Sein Mobilfunkanbieter schickte in der Folge – wie im Telekomgesetz vorgesehen – am Nachmittag des 2. November eine SMS mit folgendem Inhalt an den Mann: "Ihre Rufnummer wurde im Zuge eines Notfalls lokalisiert und die Standortdaten an die Leitstelle LPD (Anm. Landespolizeidirektion) Wien übermittelt."

In dem Artikel auf krone.at ist zu lesen, dass die Nachricht den späteren Attentäter in Panik versetzt habe dürfte. Der Anschlag wäre an diesem Abend nicht geplant gewesen. Die SMS hätte eine "fatale Kettenreaktion" ausgelöst. Es handle sich wohl um den "Skandal des Jahres". Die Telekomfirma verstecke sich hinter dem Datenschutzgesetz, was vier Menschen das Leben gekostet habe, heißt es am Ende des Artikels.

"Möglicherweise etwas ungeschickt formuliert"

Nach der Lektüre wandten sich mehrere Leser und Leserinnen an den Presserat. Sie kritisierten, dass eine korrekte Vorgehensweise als "Datenpanne" dargestellt werde und den Mobilfunkanbieter in ein negatives Licht rücke. Ein krone.at vertretender Rechtsanwalt merkte an, dass aus dem Artikel eindeutig hervorgehe, dass die SMS auf Basis einer gesetzlichen Vorgabe verschickt worden sei. Eine Falschinformation sei dem Beitrag nicht zu entnehmen, meinte er. Er gab aber auch zu, dass manche Stellen möglicherweise etwas ungeschickt formuliert seien, da sich der Vorwurf in Wahrheit an den Gesetzgeber richte.

Der Senat 2 des Presserats entschied, dass weder der Telekomfirma noch den Behörden ein Vorwurf in dieser Sache gemacht werden könne. Die Routinemeldung per SMS an den Attentäter sei eine vorgeschriebene Vorgangsweise, an der nichts skandalös sei. Die im Artikel enthaltenen Formulierungen wie "Skandal des Jahres" oder "unglaubliche Datenpanne" stellen laut dem Selbstkontrollorgan somit Verzerrungen dar, welche die Leserinnen und Leser täuschen können. Der Artikel verstieß damit gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse. Dieser sieht Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten als oberste Verpflichtung von Journalisten an.

Der Presserat fordert krone.at auf, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. Die "Kronen Zeitung" erkennt die Schiedsgerichtsbarkeit des Selbstkontrollorgans nicht an. (APA, 13.4.2021)