Insekten stehen in Ländern wie China schon seit langem auf dem Speiseplan. Auch in Europa könnten sie – verarbeitet zu Pulver und Mehl – vielleicht bald vermehrt gegessen werden.

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Wer die Fernsehserien des britischen Abenteurers Bear Grylls kennt, weiß, dass Würmer und Insekten zwar nicht immer appetitlich aussehen, dafür aber reich an Proteinen sind. Während Insekten bereits auf dem Speiseplan von rund zwei Milliarden Menschen stehen, wird zumindest hierzulande den meisten beim Gedanken an Insekten auf dem Teller wohl noch etwas mulmig zumute. Und auch mit Algen, Seegras oder Fleisch aus dem Labor kommt bei den wenigsten der große Appetit auf.

Tatsächlich sind es aber gerade jene – etwas exotisch anmutenden – Optionen, in denen einige Forscher und Ernährungswissenschafterinnen großes Potenzial für die Zukunft sehen. Denn bis 2050 werden voraussichtlich beinahe zehn Milliarden Menschen auf dieser Erde leben, der Klimawandel wird weiter fortgeschritten sein, und viele landwirtschaftliche Flächen werden noch mehr Wälder und Naturschutzgebiete zurückgedrängt haben. Insekten, Laborfleisch oder Algen sollen Abhilfe schaffen: weniger Energie und Land verbrauchen, mehr Nährstoffe liefern und das Klima schützen. Können sie halten, was sie versprechen?

Käfer, Würmer und Heuschrecken als neues Superfood?

Stehen Würmer und Insekten auch bei uns bald auf dem Speiseplan?
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Ob Sie es glauben oder nicht: Die Chancen, dass Sie schon einmal in einen Käfer oder Wurm gebissen haben, stehen ziemlich gut. Denn in vielen Ländern sind kleine Reste von Insekten in Produkten wie Pizza, Spaghetti oder Schokolade erlaubt – ganz einfach deshalb, weil es beinahe unmöglich ist, alle Insekten aus der Nahrungsproduktion zu verbannen.

Warum also die Tiere nicht gleich bewusst verspeisen, geröstet als Streetfood, gemahlen in Burgerlaibchen oder als Mehl in Broten? Laut den Befürwortern und Befürworterinnen enthalten die Insekten wichtige Spurenelemente wie Eisen oder Zink, Unmengen an Proteinen, brauchen weniger Platz als die gewöhnliche Tierproduktion und stoßen weniger CO2-Emissionen aus. Zudem könnten sie einfacher in Städten gezüchtet werden.

Quelle: Imperial College London

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Unternehmen in Europa und den USA begonnen, Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken in großem Stil zu züchten. Um westliche Konsumenten nicht sofort mit dem Essen abzuschrecken, werden die Tiere meist zu Pulver oder Mehlen verarbeitet. Es gibt mittlerweile Insektenriegel, Insektennudeln, Insektenchips und sogar Insektenbier.

Kürzlich erhielt die Entwicklung weiteren Auftrieb, als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Mehlwürmer als für die Gesundheit unbedenklich einstufte. Trotzdem muss die Industrie laut Experten künftig noch besser mit neuen Krankheitserregern, Allergenen und Pestiziden fertig werden, die die Insektenzucht mit sich bringt.

Die wohl größte Hürde bleibt für viele Expertinnen und Experten aber die Skepsis vieler Konsumenten und Konsumentinnen gegenüber dem ungewöhnlichen Essen. Laut einer Studie britischer Wissenschafterinnen und Wissenschafter sind mehrere Dinge nötig, um die Insekten zum Mainstream zu machen: eine frühe Konfrontation mit dem Essen im Kindesalter, mehr Bildung zu dem Thema, eine Vermarktung durch Prominente und, am wichtigsten: keine sichtbaren Körperteile der Tiere im Essen.

Algen und Seegras: Der grüne Garten am Meeresgrund

Algen könnten künftig vermehrt als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden.
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Wer beim Essen an Algen denkt, dem kommt vermutlich zuerst einmal Sushi in den Sinn. In Südostasien werden schon jetzt jährlich mehr als neun Millionen Tonnen an Algen verzehrt, nicht nur als Sushi, sondern auch roh als Salat oder gedünstet als Gemüse. Algen sind geschmacklich zwar eher langweilig, enthalten dafür aber Kohlenhydrate und Proteine sowie viele Mineralstoffe und Vitamine.

Seit einigen Jahren sind aber vor allem auch Mikroalgen – kleine, proteinreiche Organismen, die sowohl in Süß- als auch Salzwasser vorkommen – hoch oben auf der Agenda einiger Unternehmen in Ländern wie beispielsweise Island. Die Algen, die dabei in kleinen Glasreaktoren gezüchtet werden, sollen CO2 aus der Atmosphäre ziehen und keine Pestizide brauchen. Künftig könnten die Algen laut Befürwortern und Befürworterinnen beispielsweise als Ergänzungsmittel in pflanzlichen Produkten eingesetzt werden und so den Nährstoffgehalt verbessern.

In Spanien wiederum versucht ein Koch Seegräser als neues Superessen zu etablieren. Auf einer kleinen Fläche nahe der Küste züchtet er die Seegräser gemeinsam mit einem Team an Wissenschaftern und Wissenschafterinnen. Die Samen der Gräser verarbeitet er zu einem Mehl für Nudeln und Brot, aber auch als ganze Körner als Ersatz für Reis. Der Vorteil: Laut der Umweltschutzorganisation WWF absorbiert Seegras CO2 35-mal schneller als der Regenwald und ist für zehn Prozent des vom Meer aufgenommenen CO2 verantwortlich, obwohl es nur 0,2 Prozent des Meeresbodens bedeckt.

Aus den Samen von Seegras will der spanische Koch Ángel León Mehl und Reisersatz herstellen.
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Das Projekt hat aber auch mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: Durch den Klimawandel sterben immer mehr Seegrasflächen im Meer ab. Zudem ist es bisher nur wenigen Wissenschafterinnen und Forschern gelungen, Seegras künstlich anzupflanzen und zu züchten. Es wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen, ob die Seegrasproduktion auch auf größere Flächen ausgeweitet werden kann.

Fleisch aus dem Labor: Von echtem kaum mehr zu unterscheiden

So sieht Fleisch aus, das im Labor gezüchtet wurde.
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Von außen soll man laut dem Hersteller kaum einen Unterschied festmachen können: Fleisch, das im Labor gezüchtet wird und für das kein Lebewesen geschlachtet werden muss, soll in Farbe und Textur exakt gleich aussehen wie echtes Fleisch – und auch so schmecken. Dafür werden Zellen von lebenden Tieren entnommen und anschließend gemeinsam mit pflanzlichen Nährstoffen gezüchtet.

Kürzlich hat die Ernährungsbehörde in Singapur als erstes Land den Verkauf von Laborfleisch des US-amerikanischen Unternehmens Eat Just erlaubt. Laut dem Unternehmen wird das Fleisch anfangs zwar deutlich teurer sein als gewöhnliches, künftig soll es dann – bei größerer Produktion – aber billiger sein.

Die Vorteile von Laborfleisch liegen für viele Befürworter und Befürworterinnen auf der Hand: Weniger Flächen-, Energie- und Wasserverbrauch, weniger CO2-Emissionen, weniger Krankheitserreger und Antibiotika und kein Töten von Lebewesen mehr.

Noch findet die Produktion von Laborfleisch aber in sehr kleinem Ausmaß statt. Die Frage, wie weit sich die Herstellung nach oben schrauben lässt, stellt viele Unternehmen noch vor Herausforderungen. In vielen Ländern muss der Verkauf und Verzehr zudem ohnehin erst von den Behörden erlaubt werden.

Wie bei allen anderen Lebensmitteln hängt der Erfolg mit der Akzeptanz in der Bevölkerung zusammen. Werden Konsumenten und Konsumentinnen über die Vorteile für Umwelt und Klima aufgeklärt, seien sie aber bereit, bis zu 40 Prozent mehr für Laborfleisch als für herkömmliches Fleisch zu zahlen, heißt es in einer Studie der Universität Maastricht. Die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass künftig vor allem die konventionelle Fleischindustrie gegen den vermehrten Einsatz von Laborfleisch lobbyieren wird. (Jakob Pallinger, 15.4.2021)