Aufreibend, undankbar – und oft auch unbelohnt: Um den Chefposten in den Gesundheitsministerien der Welt reißt sich in Zeiten der Pandemie wohl kaum ein Politiker. Der Rücktritt von Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstagvormittag belegt, wie eng der Spielraum eines Politikers wird, wenn er angesichts täglich neuer Zahlen, Inzidenzen und Neuinfektionen etwa, in einem permanenten Ausnahmezustand agieren muss.
Dass sich das Amt des Gesundheitsministers da rasch als Schleudersitz erweist, zeigen aber auch Beispiele aus anderen Ländern.
Etwa Tschechien, wo die Pandemie bereits drei Gesundheitsminister das Amt gekostet hat. Adam Vojtěch nahm Mitte September seinen Hut, nachdem er sich mit seinem Plan einer Verschärfung der Corona-Maßnahmen angesichts explodierender Infektionszahlen nicht gegen Premier Andrej Babiš durchsetzen konnte. Sein Nachfolger wurde der Regierungsberater Roman Prymula, der mit großen Vorschusslorbeeren als Corona-Experte startete. Gut einen Monat später musste er aber gehen, nachdem er bei einem Restaurantbesuch selbst gegen Tschechiens mittlerweile strengen Corona-Regeln verstoßen hatte.
Prymulas Nachfolger wurde der Arzt Jan Blatný, der es aber auch nur gut ein halbes Jahr im Amt aushielt. In der Vorwoche tauschte Premier Babiš ihn gegen den Prager Spitalschef Petr Arenberger aus. Blatný wurde seine Zurückhaltung gegenüber dem russischen Vakzin Sputnik V zum Verhängnis, auf dessen Zulassung Babiš und Präsident Miloš Zeman drängten.
In der benachbarten Slowakei hat man mit derlei Rochaden ebenfalls Erfahrung. Eine schwere Regierungskrise kostete Anfang März Gesundheitsminister Marek Krajčí das Amt. Er trat zurück, nachdem zwei Koalitionsparteien den eigenmächtigen Ankauf des russischen Impfstoffs Sputnik V kritisiert hatten. Beobachter sahen darin ein Bauernopfer, mit dem Ministerpräsident Igor Matovič sich im Impfstoffstreit im Amt halten wollte. Matovič musste seinen Posten schließlich auch räumen, um eine Beilegung der Regierungskrise zu ermöglichen. Neuer Gesundheitsminister wurde der Arzt und Brigadegeneral Vladimír Lengvarský, der unter anderem im österreichischen Bataillon der Uno-Truppen auf dem Golan Einsatzerfahrung gesammelt hatte.
Ebenfalls ein Opfer einer Regierungskrise war im Dezember Sloweniens Gesundheitsminister Tomaž Gantar. Der populäre Ressortchef nahm seinen Hut, nachdem seine Demokratische Pensionistenpartei (Desus) den Austritt aus der Regierung von Ministerpräsident Janez Janša erklärt hatte. Dieser übernahm zunächst selbst die Führung des Ressorts, ehe er den Direktor des Universitätsklinikums Ljubljana, Janez Poklukar, als Nachfolger installierte. Der Experte startete Ende Februar mit Vorschusslorbeeren der Opposition, die sonst kein gutes Haar an der Corona-Politik der Mitte-rechts-Regierung ließ.
Seit Dezember amtiert in Rumänien mit Vlad Voiculescu bereits der dritte Gesundheitsminister seit Beginn der Pandemie. Der Kardiologe Victor Costache trat Ende März kurze Zeit nach Beginn der Gesundheitskrise zurück. Sein Nachfolger Nelu Tătaru, ebenfalls ein Mediziner, hielt es dann nur gut ein halbes Jahr im Amt. Sein Rücktritt erfolgte nach einer Brandkatastrophe auf der Intensivstation einer Corona-Klinik Mitte November in Nordrumänien, bei der mehrere schwerkranke Patienten hilflos verbrannten.
Vermeintlich aus rein persönlichen Gründen trat im August in Polen Gesundheitsminister Łukasz Szumowski zurück. Der Kardiologe sagte, dass er in seinen erlernten Beruf zurückkehren wolle. Er habe dies eigentlich schon im Februar tun wollen, sei dann aber wegen der Pandemie länger im Amt geblieben. Szumowski hatte sich mit ruhigen und kompetenten Auftritten viel Ansehen in der Bevölkerung erworben, im Vorfeld seines Rücktritts litt sein Image aber durch eine Affäre wegen der überteuerten Anschaffung von Schutzmasken. Szumowkis Nachfolger wurde der Ökonom Adam Niedzielski.
Auch abseits von Mittel- und Osteuropa tat sich einiges. Aus Popularitätsgründen trat Anfang Jänner Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa zurück. Der während der Pandemie zum Medienstar avancierte Sozialist gab sein Amt auf, um bei der katalanischen Regionalwahl im Februar anzutreten. Unter Führung Illas erzielten die katalanischen Sozialisten einen Erdrutschsieg. Wie seine Nachfolgerin Carolina Darias hatte Illa keine medizinische Ausbildung.
Keine glückliche Hand mit seinen Gesundheitsministern hat Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro, der international wegen des Herunterspielens des Coronavirus immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Seit Beginn der Pandemie hat er bereits dreimal den Ressortchef ausgetauscht. Den Orthopäden Luiz Henrique Mandetta feuerte Bolsonaro Mitte April 2020 kurz nach Beginn der Pandemie wegen Differenzen wegen der Lockdown-Politik. Mandettas Nachfolger, der Onkologe Nelson Teich, war dann nur einen Monat lang im Amt. Bolsonaro ersetzte ihn Mitte Mai 2020 durch den Armeegeneral Eduardo Pazuello. Der Minister, der keinerlei medizinische Vorkenntnisse hatte, wurde vergangenen Monat vor dem Hintergrund der explodierenden Infektionszahlen in dem südamerikanischen Land durch den Kardiologen Marcelo Queiroga ausgetauscht. (red, APA, 13.4.2021)