Bei der Gemeinratswahl 2010 versprach die FPÖ plakativ mehr Sicherheit. Ein damals in die Volksvertretung eingezogener freiheitlicher Politiker wurde nun wegen Verhetzung verurteilt.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Von 2010 bis 2020 war Gerhard Haslinger für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) Abgeordneter im Wiener Landtag und Gemeinderat. Unter anderem gehörte der ranghohe Polizist dem Gemeinderatsausschuss für Integration an. Nun sitzt er nicht mehr im Landtag, sondern vor Richter Gerald Wagner, da Haslingers politische Immunität weg ist und ihm der Staatsanwalt wegen einer Presseaussendung vom 31. Dezember 2012 Verhetzung vorwirft.

"FP-Haslinger: U-Bahn-Sex-Monster in türkischer Gemeinschaft der Brigittenau untergetaucht!" lautete damals der Titel der von der FPÖ Wien über APA-Originaltextservice verbreiteten Meldung. Hintergrund war die Suche nach einem flüchtigen Serienvergewaltiger, der nur zum Schein bei einem älteren Ehepaar im 20. Gemeindebezirk gemeldet war. Ein Bekannter des 2013 zu zwölf Jahren Haft und Einweisung verurteilten türkischstämmigen Täters konnte oder wollte der Polizei nichts zum Aufenthaltsort des Flüchtigen sagen, was Haslinger von Beamtenkollegen erfuhr.

"Sozialmissbrauch" und "schwere Verbrechen"

"Der konkrete Fall zeigt deutlich, dass die türkischstämmige Bezirksbevölkerung, die zu einem Gutteil aus demselben Gebiet in Anatolien kommt, eine in sich geschlossene Gemeinschaft ist. Zusammengehalten wird nicht nur beim Sozialmissbrauch, sondern auch wenn es um schwere Verbrechen geht", schrieb der angeklagte Politiker damals in seiner Aussendung.

Vor Richter Wagner bestreiten sowohl der 57-Jährige als auch sein Verteidiger Meinhard Novak, dass der Text in irgendeiner Art und Weise verhetzend sei. "Es ist unpräzise formuliert", gibt der unbescholtene Angeklagte zwar zu. "Aber es hat mich erbost, dass auch bei einem schweren Verbrechen wie Vergewaltigung zusammengehalten wird", versucht Haslinger zu erklären. Wagner kontert: "Jetzt haben wir vielleicht drei Personen: das Ehepaar und den Bekannten. Das ist die gesamte türkischstämmige Bezirksbevölkerung?"

"Emotional angefressen"

Der Angeklagte versucht eine andere Argumentationslinie: "Mein Anliegen war es, in scharf formulierter Weise die Medienvertreter und politischen Mitbewerber aufzurütteln." Der Richter kann auch dieser Linie nicht ganz folgen: "Was wird der inkriminierte Text wohl beim Leser auslösen? Ist jetzt eine Empathiefrage." Haslinger druckst herum und sagt schließlich: "Ich war mit Sicherheit emotional angefressen."

Außerdem habe er den Text dem damaligen Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein vorab geschickt, der offenbar keine Probleme mit dem Inhalt gehabt habe, verteidigt sich der Angeklagte. Nicht ganz sicher sei er sich aber, ob das "Sex-Monster" im Titel von ihm stamme oder von der FPÖ-Pressestelle formuliert worden sei. Auf Frage seines Verteidigers führt Haslinger aus, dass er in seiner Funktion als Bezirkspolitiker auch mit türkischstämmigen Mitmenschen zu tun hatte, die ihm sagten: "Der Strache ist nicht so schlecht, der schaut auf sein Land."

"Auch so eine schändliche Tat wie eine Serienvergewaltigung berechtigt nicht dazu, pauschal zu verurteilen", erklärt der Ankläger in seinem Schlussplädoyer. Wegen fehlender Einsicht aufseiten des Ex-Politikers komme auch keine Diversion infrage.

Verteidiger sieht kein Strafbedürfnis

Verteidiger Nowak versteht die Aufregung dagegen überhaupt nicht: "Ich sehe kein Strafbedürfnis der Republik", stellt er klar und ersucht um einen Freispruch im Zweifel hinsichtlich der subjektiven Tatseite seines Mandanten. Denn der habe keineswegs die gesamte türkische Community gemeint.

Der Angeklagte hält in seinem Schlusswort fest, dass er 1981, nach den Terroranschlägen auf die Synagoge und Stadtrat Heinz Nittel, bei der Polizei angefangen habe, "um gegen Terrorismus anzukämpfen. Jetzt sitz ich hier, weil ich Terrorismus bekämpfen will." Er wollte mit der Aussendung "mit Sicherheit niemanden verletzen".

Wagner sieht das rechtskräftig anders. "Sie haben einfach was anderes ausgesandt, als Sie heute sagen", lässt der Richter keinen Zweifel. Wenn Haslinger nun behaupte, er habe nur die Unterstützer des Serienvergewaltigers gemeint, sei das schon grammatikalisch im Text nicht nachvollziehbar. Und bei einem Landtagsabgeordneten müsse man voraussetzen können, dass der sich grammatikalisch korrekt ausdrücken könne. "Alles andere wäre schlimm", verrät der Richter seine möglicherweise recht optimistische Sicht der Realität.

4.500 Euro teilbedingte Geldstrafe

Haslinger wird zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen à 45 Euro verurteilt, die Hälfte davon, also 2.250 Euro, ist unbedingt. "Wenn Schuldeinsicht bestanden hätte, wäre das ein Diversionsfall gewesen", begründet Wagner sein Urteil, in diesem Fall halte er eine teilbedingte Geldstrafe aber für spezialpräventiv sinnvoller als eine gänzlich bedingte Freiheitsstrafe. (Michael Möseneder, 13.4.2021)