"Cascartelli" nennt Dan Pashman seine selbstdesignte Pasta, die gut auf der Gabel halten, möglichst viel Sauce aufnehmen und ein gutes Mundgefühl haben soll.

Foto: Scott Gordon Bleicher

Personalisierte Nudeln? Bereits 2015 präsentierte der italienische Hersteller Barilla stolz, dank eines 3D-Druckers Pasta in beliebiger Form herstellen zu können. Farfalle war gestern. Jeder sollte die Möglichkeit haben, spielerisch seine eigene Pasta zu erfinden. Der Fantasie waren dabei keine Grenzen gesetzt: Gäste sollten auf einem USB-Stick einfach ihre eigenen Entwürfe mitbringen, und das Restaurant druckt die Nudeln dann aus und bereitet sie zu.

Wie so oft sah die Zukunft dann doch anders aus. Die 3D-Nudel hat sich nicht auf dem Markt behaupten können. Dass sie in Italien keine Chance hat, liegt auf der Hand. Nicht nur gibt es bereits rund 600 Nudelsorten weltweit, deren Ziel es ist, nicht nur schön auszusehen, sondern auch eine Funktion zu erfüllen.

Ein Banause, wer für jedes Rezept die gleiche Nudel verwendet. Die Form der Nudel muss perfekt zur Sauce passen, wie das schön gestaltete Kochbuch Die Geometrie der Nudel nahelegt. Die klassischen Nudelformen von Bucatini bis Tortellini werden da porträtiert und durch Rezepte ergänzt. Jede Nudel ist da ein kleines Universum. Ein gewachsenes Produkt, das je nach Region verwendet wird.

Die Nudel aus der Feder von Stardesigner Philippe Starck soll es ermöglichen, Pasta zu essen, ohne dick zu werden.
Foto: Hervé Ternisien / Starck Network

Kein Wunder, dass die Italiener sauer sind, wenn jemand kommt und uralte Traditionen ignoriert, wie das jüngst beim Carbonara-Streit passiert ist, als die New York Times allen Ernstes ein Rezept mit Tomatensauce druckte. Der Fall beschäftigte sogar die Politik, die von einen "Affront für ganz Italien" sprach. So weit ist es bisher noch nicht gekommen mit der Design-Nudel, die der US-Amerikaner Dan Pashman erfunden hat. "Cascatelli" nennt er sie, was auf Italienisch reicht frei variiert "Wasserfall" bedeuten soll.

Drei Jahre lang hat Pashman daran gearbeitet – und ein paar Tausend Dollar dafür in die Hand genommen. In fünf Folgen seine Podcasts "Sporkful" erklärt er den langwierigen Prozess, wie er einen Profi gefunden hat, der ihm dabei half. Man kann den Nudelerfinder also quasi direkt auf seine Recherche begleiten. Pashman hat drei Kriterien für seine Nudel: Sie muss gut auf der Gabel halten, sie sollte möglichst viel Sauce aufnehmen können, und es sollte sehr befriedigend sein, in sie zu beißen.

Pasta-Odyssee

Für die Pasta von Auto-Designer Giorgio Giurgiaro hat Starkoch Massimo Bottura eine eigene Sauce kreiert.
Foto: beigestellt

Eine Nudel für alles? Was für ein Banause! Besser, die Italiener erfahren davon nichts. Wahrscheinlich ist Pashman ohnehin kein würdiger Duellpartner: Wer nicht einmal ein eigenes Rezept für seine Design-Nudel erfindet, ist nicht sanktionsfähig.

Für Foodies ist Pashman ein Leichtgewicht. Trotzdem begleitet man ihn gern auf seiner Odyssee zur perfekten Nudel. Er tritt damit ja auch in große Fußstapfen. Wahrscheinlich gibt es nichts, was der französische Stardesigner Philippe Starck nicht mit seinen postmodernen Entwürfen verhübscht hat. 1994 kreierte Starck zum Beispiel für die Marke Panzani eine Nudel mit zwei Flügeln, die laut Eigenaussage aus "zehn Prozent Pasta und 90 Prozent Luft besteht".

Selbst wenn man sie überkocht, bleiben Teile al dente. Sein erklärtes Ziel: einen Mund voller Pasta zu nehmen und trotzdem nicht dick zu werden. Die Starck-Nudel sieht cool aus, ein bisschen Yin-Yang. Durchgesetzt hat sie sich freilich nicht: Wer möchte schon einen Mund voller Luft essen.

Foto: beigestellt

Marille in der Versenkung

Bereits 1983 hat der italienische Auto-Designer Giorgio Giugiaro die Nudel "Marille" erfunden, ein edel geschwungenes Teil, das mit verschiedenen Saucen von renommierten neapolitanischen Chefköchen getestet wurde und ideal in die Nouvelle Cusine passte, nicht nur aufgrund ihrer dekorativen Architektur.

Sogar Kochstar Massimo Bottura hat eine Sauce dafür erfunden. Trotzdem ist die Nudel bald wieder in der Versenkung verschwunden, blieb eine lustige Fußnote in der Design-Geschichte.

Die Chancen, dass der US-Amerikaner Dan Pashman mit seiner "Cascatelli" den Weltmarkt erobern wird, stehen also eher schlecht. Wer eine Packung aus den USA bestellen möchte, muss rund 100 Euro Versandkosten nach Europa bezahlen. Um den Betrag kommt man schon nach Bari, wo die berühmten Pasta Grannies ihre frischen Nudeln auf der Straße verkaufen. Die Wahl fällt da wohl nicht sonderlich schwer. (Karin Cerny, RONDO, 16.4.2021)