Frischer Wind für neue Technologien: Fachhochschulen forschen nah an der Praxis.

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Mehr als 20 Jahre liegt der Start der Strommarktliberalisierung in Österreich zurück. Wiewohl der langwierige Prozess durchaus Zugewinne bei Transparenz und Effizienz brachte, gibt es für Uwe Trattnig, den akademischen Leiter der FH Joanneum, noch eine Reihe offener Baustellen.

Dazu gehören etwa eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Energie- und Netzgesellschaften und unkompliziertere Schnittstellen zu Endkunden. Mit Spannung wird die Umsetzung der EU-Verordnung von 2019 erwartet, die schnellere Versorgerwechsel, dynamische Strompreise und neue "Bürgerenergiegesellschaften" bringen soll.

Vergangene Woche fand das 14. Forschungsforum der österreichischen Fachhochschulen an der FH Wien der WKW statt. Als Einstieg in das Panel "Energie, Umwelt und Mobilität" steckte Trattnig mit dem Überblick zur Strommarktliberalisierung eine der Rahmenbedingungen des Aufbruchs in eine neue Energiezukunft ab. Hier ein Rundgang durch die FH-Forschungsthemen, die bei diesem Panel – pandemiebedingt in virtueller Form – präsentiert wurden:

  • Windkraft im Griff: Bessere Nutzung unregelmäßig verfügbarer Energie

Neusiedl am See produziert mehr Windenergie, als es verbrauchen kann. Um den Eigenbedarf zu erhöhen, wird Überschussstrom mittels Wärmepumpen und -speicher für das lokale Wärmenetz nutzbar gemacht.

Lukas Gnam von der Forschung Burgenland arbeitet mit Kollegen an der Optimierung des komplexen Hybridsystems. Die Forscher entwickeln einen "Fahrplan" für das Schalten der verschiedenen Komponenten. Übers Jahr gerechnet soll der Einsatz des Energiesystems so kosteneffizient wie möglich ausfallen. Gas als Energiequelle soll minimiert werden.

  • Daten vom Zündfunken: Neue Messmethode steigert die Effizienz von Gasmotoren

In Blockheizkraftwerken werden etwa aus Erdgas, aber auch aus Biogas und Klärgas elektrischer Strom und Heizwärme gewonnen – ein Konzept, das einen besonders hohen Wirkungsgrad erlaubt. In den Kraftwerken arbeiten unter anderem Gasmotoren, in denen die Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemischs per Zündkerze erfolgt.

Michael Joham vom Management Center Innsbruck (MCI) arbeitet an einem Messinstrument, das die Zündungsenergie überwachen kann – und das während des Betriebs des Motors. Mittels der Messungen kann die verbleibende Lebensdauer bestimmt werden – eine vorausschauende Wartung wird möglich.

  • Reiner Bioabfall: Neues Verfahren hilft bei Biomüllnutzung in Kläranlage

Verfügt eine Kläranlage über freie Kapazitäten, kann man zusätzlichen Bioabfall in die Prozesse einspeisen. Störstoffe im Abfall – etwa Glas, Metall oder Steine – machen aber kostenintensive Reinigungs- und Wartungsarbeiten nötig.

Oft ist das Verfahren deshalb nicht wirtschaftlich. Thomas Senfter vom MCI hat deshalb ein Verfahren entwickelt, das Störstoffe im Vorhinein abscheiden lässt. Er hat einen sogenannten Hydrozyklon – eine Anlage, die Feststoffe aus Flüssigkeiten abtrennt – für die Nutzung in Kläranlagen optimiert und bereits an mehreren Standorten erfolgreich erprobt.

  • Lösung für Mikroschadstoffe: Mit Membrantechnik und Aktivkohle Abwässer säubern

Der Wirkstoff Diclofenac hilft Menschen bei Schmerzen. Als Mikroschadstoff, der über die Abwässer in die Natur gelangt, schadet er aber Fischkulturen – genauso wie viele andere Inhaltsstoffe in Pharma- und Kosmetikprodukten, wie Schwermetalle und Pestizide.

Künftig will man mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe in Kläranlagen diese Schadstoffen besser abscheiden. Jan Back vom MCI arbeitet mit Kollegen an Mixed-Matrix-Membranen für diesen Zweck. Die ausgeklügelte Kombination aus Membrantechnik und Aktivkohle kann die Mikroschadstoffe effektiv entfernen, fanden die Forscher heraus.

  • Wohltemperierte Batterie: Konzept für thermisches Management in Elektroautos

Ist es kalt, wird im Elektroauto Energie für das Wärmen des Akkus benötigt, die Reichweite sinkt. Stephan Thaler von der FH Kärnten untersucht mit Kollegen deshalb sogenannte Latentwärmespeicher, um das thermische Management im Batteriepaket zu verbessern.

Diese Materialien können in einem bestimmten Temperaturbereich besonders viel Wärmeenergie speichern. Die Forscher arbeiten nun mit Paraffinen, die für Lithium-Ionen-Akkus passende Eigenschaften aufweisen. Sie optimieren ihren Ansatz für eine wohltemperierte Akkutechnik der Zukunft.

  • Reisen per Frachtschiff: Online-Plattform soll Touristen und Cargo-Kapitäne verbinden

Hat man es nicht besonders eilig, kann man auch per Frachtschiff verreisen. Junge Leute nutzen diese abenteuerliche und kostengünstige "Mitfahrgelegenheit" seit Jahrzehnten. Gernot Rottermanner von der FH St. Pölten ist nun mit Kollegen dabei, eine eigene Online-Plattform für Frachtschiffreisende zu gestalten. Per "Cargo Riders" kann die Route eines Schiffs live verfolgt und der Kapitän kontaktiert werden. Das Projekt wird für eine Markteinführung vorbereitet.

  • Mehr Leistung für Drohnen: Motorenkonzept zielt auf hohe Ausfallsicherheit ab

Drohnen sollen künftig für Lasten- und sogar für Personentransporte eingesetzt werden. Dafür sind besonders leistungsfähige und ausfallsichere Elektromotoren notwendig. Martin Schiestl vom MCI arbeitet mit Kollegen an einem Motorendesign, das diese Anforderungen erfüllt.

Der Ansatz der Forscher sieht einen Axialflussmotor, ein besonders sicheres Multiphasendesign, eine kompakte, integrierte Bauweise und eine neuartige Halbleitertechnologie vor. Das Ergebnis: Die Leistungsdichte konnte im Vergleich zu ähnlichen Motoren verdoppelt werden. (Alois Pumhösel, 14.4.2021)