Ursula Poznanski (52) lebt am Wiener Stadtrand. Gerade ist ihr neuer Thriller "Rot wie Feuer" erschienen.

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Ursula Poznanski schreibt ihre Bücher da, wo ihre Leser sie verschlingen: im Garten, auf der Couch, im Bett, mit dem Laptop auf einem Polster auf ihren Knien. "Das hilft mir vorzugaukeln, dass es ja keine Arbeit ist." Am Schreibtisch arbeitet die Wiener Thrillerautorin deshalb nie: "Dort macht es keinen Spaß mehr." Trotzdem kriegt sie zwei Bücher im Jahr fertig, eines für Jugendliche und eines für Erwachsene. Zwei Millionen davon hat Poznanski bisher in mehreren Sprachen verkauft, den Österreichischen Krimipreis und den Leo-Perutz-Preis erhalten. Sie ist eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Autorinnen für Spannungsliteratur. Zwei Drittel der Bücher auf den Bestsellerlisten waren voriges Jahr Krimis.

Rot wie Feuer heißt der Anfang April erschienene letzte Teil von Poznanskis Reihe Vanitas. Die Heldin Carolin war zwei Bände lang als Blumenhändlerin am Wiener Zentralfriedhof untergetaucht. Die Polizei hatte sie zuvor in den russischen Clan der Karpin eingeschleust, irgendwie hat sie as überlebt. Muss sie im ersten Teil Schwarz wie Erde nach München, wird es in Grau wie Asche wieder zurück in Wien eng für sie.

Wie ist Poznanski darauf gekommen? Ursprung für die Reihe war gar kein Interesse an Bandenkriegen oder Clans, sondern die Idee, dass "jemand mit aller Kraft den Eindruck zu erwecken versucht, tot zu sein. Wie macht man das?", sagt sie. Sich vor einer Einzelperson zu verstecken schafft man aber relativ leicht, es musste also eine größere Bedrohung her. So kam sie auf die Idee mit den mafiösen Strukturen.

Falsche Hüftpolster

Der dritte Teil spielt nun in Frankfurt. Getarnt mit falschen Zähnen und Hüftpolstern und, weil die Wiener Polizei sie eines Mordes verdächtigt, auf sich allein gestellt, spioniert Carolin den Karpins hinterher und hetzt ihnen die armenische Mafia auf den Hals, bei der sie sich als Prostituierte einschleicht. Mit Tempo treibt Poznanski die Handlung an, schlägt Haken, erzählt voller Details, die die Szenen greifbar machen. Billig liest sich das nie.

"Eine logische Schlussfolgerung ergibt die nächste", sagt die Autorin darüber, wie sich ihre Plots entwickeln. Das könnte man auf ihre ganze Karriere übertragen, angefangen hat sie nämlich 2003 mit Kinderbüchern für ihren Sohn. Als Medizinjournalistin lag ihr das Schreiben nicht fern, die nötige Ausdauer für ein Buch hatte sie sich bisher aber nicht zugetraut. Doch ein Kinderbuch sollte rasch gehen. 2010 folgte mit Erebos das erste Jugendbuch, mittlerweile kratzt es an einer Million verkauften Exemplaren. Als Poznanski die Idee für eine Tote auf einer Kuhweide hatte, was aber nicht in ein Jugendbuch passte, sagte ihr Agent: "Schreib eben ein Erwachsenenbuch." So kam es 2012 zu Fünf. Seit 2013 lebt sie von ihren Büchern.

Dass viele ihrer Bücher inzwischen in deutschen Städten spielen, hat das karrieretaktische Gründe? "Ich glaube, wo ein Buch spielt, ist den Lesern egal. Mein Bauchgefühl muss stimmen. Zum Beispiel hieß es vor zwei, drei Jahren in der Branche: Will man einen Thriller schreiben, soll man ihn in Berlin ansiedeln, das ist hip. Ich kenne mich dort aber wenig aus und hätte mich von einem Fehler zum nächsten gehangelt." Frankfurt hingegen kennt sie von Buchmessen und Lesereisen. Außerdem gibt es dort tatsächlich Clankriminalität – "zwar weniger von den Russen als von Libanesen, aber das war mir wurscht."

Handlungsgerüste stören

Im Herbst hat sie den Zentralfriedhof für den Showdown ausgekundschaftet. Hat Poznanski sich früher noch genauere Pläne für ihre komplexen Plots gemacht, tut sie das heute nicht mehr. Sie weiß, wie die Auflösung aussieht, aber unterwegs kennt sie nur wenige Fixpunkte. "Ich habe herausgefunden, dass ich mich eh nicht an Handlungsgerüste halte, weil mir beim Schreiben Ideen kommen, die mir viel besser gefallen." Deshalb liegen bei ihr keine Notizbücher voller Skizzen herum, sie hat auch keine zig Buchideen griffbereit in Schubladen liegen. Das kann herausfordernd sein, deshalb will Poznanski demnächst mal ein Jugendbuch auslassen.

Je weiter fortgeschritten und klarer ein Buch ist, desto schneller geht es ihr jedenfalls von der Hand. Meist schafft sie 800 bis 1300 Worte am Tag; beginnt sie ein Buch neu, sind es nur 500. Recherchiert wird gezielt bloß das, was die Autorin für die Geschichte wissen muss. Anders ginge sich ein Buch pro Halbjahr kaum aus. "Ich brauche diesen Zeitdruck. Ich schreibe unglaublich gerne, mag aber auch andere Sachen." Reisen, fotografieren, alte, schiache Möbel vom Ikea restaurieren zum Beispiel.

Das ist auch einer der Gründe, warum ihre Jugendbücher gesellschaftskritischer sind: Im letztes Jahr erschienenen Cryptos (ab 14 Jahren) geht es um die Klimakatastrophe und die Flucht ins Virtuelle. Pädagogische Absicht steht laut Poznanski nicht dahinter. Aber wollte sie diese Themen für Erwachsene aufbereiten, müsste sie mehr auf technische Details eingehen, mehr recherchieren. Im Jugendbuch kann sie fantastisch werden, ohne alles genau zu erklären. Dass trotzdem auch 60- und 70-Jährige zu ihren Büchern für junge Leser greifen, findet die Autorin toll.

Abgeschnittene Ohren

Dafür hat sie in Rot wie Feuer einmal mehr keine Scheu vor Brutalität. Da werden Ohren abgeschnitten und Gegner in Autopressen zerquetscht. Das schreibe sich leicht und sei zudem spannend, weil "man ein bisschen das Gefühl hat, man geht über eine Grenze", sagt Poznanski. Zudem findet sie es konsequent, Gewalt möglichst direkt zu schildern, um zu zeigen, wie traumatisierend sie für eine Person ist, die sie erlebt. Bevor daraus aber ein "unnötiger Gewaltporno" wird, lässt sie Carolin immer wieder aus einer Szene gehen oder schockiert wegschauen. Carolin ist ambivalent: empfindsam, wenn nötig aber hart.

Genreliteratur wird häufig ihre Routiniertheit vorgeworfen, die Orientierung an Lesererwartungen. "Wenn ich Nutella kaufe, will ich auch, dass Nutella drin ist", sagt Poznanski. Aber auch: "Wenn man Action, Action braucht, um die Leser bei der Stange zu halten, stimmt was nicht." Und: "Es gibt bei mir keine Regel, dass alle fünf Seiten ein größeres Ereignis kommen muss. Das ist mir zu schnittmusterartig."

Mit der Abgrenzung von ernster Literatur und Unterhaltung tut Poznanski sich folglich schwer. Denn es gebe einen großen Graubereich von Romanen fürs schnelle Lesevergnügen, die sehr gut geschrieben seien und zugleich unterhalten. "Da sollte eigentlich jeder Autor hinwollen: dass das Handwerk wirklich gut ist und die Geschichte auch und es jemand gerne liest, der vorher kein Literaturstudium abgeschlossen hat." (Michael Wurmitzer, 14.4.2021)