Das kleine Bündel unterhalb der Mumie enthüllte menschliche Knochen.
Foto: Gunnar Menander

Für einen Sensationsfund reichte bereits die Tatsache, dass die Leiche des Geistlichen und Philosophen Peder Pedersen Winstrup äußerst gut erhalten ist. Als ein schwedisches Forschungsteam aber vor einigen Jahren den gesamten Inhalt des schwarz-goldenen Bischofssargs untersuchte und dabei röntgen ließ, stellte es fest: Unter Winstrups mumifiziertem Körper, auf Höhe seiner Unterschenkel, zeichneten sich kleine Knochen ab. Dabei handelte es sich bei genauerer Betrachtung nicht etwa um ein Tier, das in den Sarg gekrochen und dort verendet war. Offenbar hatte jemand einen menschlichen Fötus ins Grab gelegt.

Der Fötus, in ein Leintuch gewickelt, war der Länge seiner Oberschenkelknochen nach zu urteilen etwa fünf bis sechs Monate alt. Es dürfte sich also um ein früh- oder totgeborenes Kind handeln. Es war allgemein nicht unüblich, verstorbene Babys mit Erwachsenen zu bestatten, teilweise sogar mit fremden Menschen. "Der Fötus könnte nach der Begräbnisfeier in den Sarg gelegt worden sein", sagt Torbjörn Ahlström, Professor für historische Knochenkunde an der Universität Lund. Immerhin war die Gruft im Dom zu Lund zugänglich. Der Fund im Sarg des Geistlichen war dennoch ungewöhnlich, sagt Ahlström: "Wir haben uns daher gefragt, ob es eine Beziehung zwischen dem Kind und dem Bischof gab."

Eine Durchleuchtung des Grabes brachte den Fötus ans Licht.
Bild: Gunnar Menander

Bischof mit Baby

DNA-Analysen bestätigten nun diese Vermutung: Der Mann teilte 25 Prozent seiner Gene mit dem Fötus, der sich als männlich herausstellte. Eine solche Verwandtschaft zweiten Grades besteht beispielsweise zwischen Onkel und Neffe oder zwischen Großvater und Enkel. Das Forschungsteam hält letzteres aufgrund der bekannten Familiengeschichte für sehr wahrscheinlich. Weil die Verstorbenen auch noch das genetisch gleiche Y-Chromosom hatten, der Junge aber andere mitochondriale DNA von seiner Mutter erbte, handelt es sich wohl um den Sohn von Peder Pedersen Winstrup junior und damit um einen Enkel des Mumifizierten.

Da es sich beim Senior um einen evangelisch-lutherischen Bischof handelte, wäre die Familienbeziehung nicht als Skandal gewertet worden, wie das bei einem katholischen Kirchenmann der Fall gewesen wäre. Evangelische Bischöfe dürfen immerhin heiraten und somit auch Nachwuchs zeugen. Winstrup wurde nach seinem Tod 1679 auch neben seiner Frau in der Gruft bestattet.

Peder Winstrup, Bischof und Philosoph im 17. Jahrhundert, wurde in der Familiengruft gut konserviert. Im rechten Bild ist das Bündel unter seinem Leichnam zu erkennen.
Fotos: Gunnar Menander

Eine Mumie durch Wind und Winter

Winstrups Leiche hatte bereits bei der Analyse mehr als 300 Jahre später für Aufsehen gesorgt. Sie war äußerst gut erhalten, von der Kleidung über die Haut bis hin zu den inneren Organen. Das dürfte den speziellen Umständen in Grab und Gruft zu verdanken sein: Die Luftzirkulation um den Leichnam sorgte für die Mumifizierung und damit für eine langfristige Konservierung. Der Tod im kalten Winter dürfte den Verwesungsprozess maßgeblich verlangsamt haben. Zudem wurden Grabbeigaben wie Wacholderbeeren, Hopfen und Wermut gefunden, die ebenfalls zum Erhalt beigetragen haben können.

Die bemerkenswerte Bestattung hatte Winstrup seinem Beruf und Lebenslauf zu verdanken. Im Jahr 1605 als Bischofssohn in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen geboren, wurde er mit 28 Jahren Professor der Philosophie und Physik, später Doktor der Theologie. Mit 33 Jahren wurde er der erste evangelische Bischof in Lund, das damals ebenfalls zu Dänemark gehörte, bald aber zu Schweden gehören sollte. Winstrup machte sich selbst als diplomatischer Vermittler zwischen den Herrschern dieser Länder einen Namen und wurde vom schwedischen König in den Adelsstand erhoben. Er initiierte außerdem die Gründung der Universität Lund.

Schon 2015 traten bei den Analysen des Leichnams einige Krankheiten des Verstorbenen zutage.
Lund University

Vor allem zu seinem Lebensende hatte er es nicht leicht: Nicht nur aufgrund von politischen Querelen, sondern auch, weil er laut Untersuchungen an seinem Skelett wohl an Arthritis, Tuberkulose und zahlreichen Gallensteinen litt. Ein Jahr nach seinem Tod im Alter von 75 Jahren verlor sein Sohn, Winstrup junior, im Zuge von Adelsenteignungen den geerbten Besitz. Danach lebte er vermutlich für den Rest seines Lebens von Almosen. Da er zumindest keinen männlichen Nachkommen hatte, könnte sich Winstrup junior also zu einem symbolischen Akt entschlossen und den nicht lebensfähigen, wenige Monate alten Nachfolger bei dessen angesehenem Großvater bestattet haben. (Julia Sica, 18.4.2021)