Ein letztes Mal der Fokus auf den Minister: Anschobers Bilanz fällt zwiespältig aus – allerdings vor dem Hintergrund einer außergewöhnlichen Herausforderung.
Foto: Heribert Corn

3 TOPS: Mit Tests & Disziplin

  1. Zu Beginn der Pandemie war das Selbstlob der Regierung durchaus angebracht. Die türkis-grüne Koalition hat die erste, im März losgeschwappte Welle gut gemeistert. Der damalige Peak an Infektionen wäre heute Grund für Jubel, die Zahl der Toten blieb im Rahmen, die Spitäler gerieten nie an den Rand des Zusammenbruchs. Von Einigkeit sei diese Zeit geprägt gewesen, sagt Anschober. Leergefegte Straßen kündeten von eindrucksvoller Lockdown-Disziplin, offenbar hatte der Minister samt Regierung den richtigen Ton getroffen. Hinterher gab es zwar Kritik an angeblich überzogenen Regeln und Botschaften, doch die Folgen des späteren Laisser-faire (siehe Flops) sprechen für die damalige Linie.
  2. Noch ein Selbstlob, das nicht aus der Luft gegriffen ist. Österreich darf sich rühmen, zu den Testweltmeistern zu zählen – und erntet dafür auch jenseits der Grenzen Applaus. In Deutschland wird die Strategie der permanenten Virusfahndung als vorbildhaft gehandelt. Vor Überschwang sei gewarnt: Ein knappes Drittel war noch nie bei einem Test, und das exzessive Herumstierln in Nase und Rachen hat auch nicht verhindert, dass das Land seit Monaten in mehr oder minder harten Lockdowns festhängt. Doch anzunehmen ist: Ohne massenhafte Tests wäre die Lage noch schlimmer – siehe viele Nachbarländer.
  3. Der Abgang beweist es: Anschober hat sich als Minister ausgepowert. Das hängt auch mit seinem Stil zusammen. Lieber setzt der konsensverliebte Grüne noch eine Telefonrunde an, als über irgendjemanden drüberzufahren. Das kann man in Zeiten, wo rasche Entscheidungen gefragt sind, auch als Schwäche auslegen. Aber wäre es andersrum besser gelaufen? Anschobers Gegenargument ist stichhaltig: Wer etwa die Länderchefs nicht an Bord holt, wird Regeln schwer durchsetzen können – und für die Unsinnigkeiten des heimischen Föderalismus kann er nichts. Immer hielt der Minister sein Credo nicht durch. Doch die Mission hat so weit geklappt, dass sich die Republik nicht völlig in politischen Grabenkämpfen verloren hat.

3 FLOPS: Mit Pfusch & Zaudern

  1. Es war ein Satz, wie er einem Politiker ein Leben lang nachhängen kann. Ende Oktober des Vorjahres, als die Infektionszahlen längst nach oben schossen, versicherte Anschober: Eine Situation, die einen zweiten Lockdown nötig mache, sei "weit entfernt". Dass die Realität den Minister bald widerlegt hat, spüren die Österreicher bis heute schmerzlich. Der damalige Irrtum steht stellvertretend für jene Politik, die Experten für den Kardinalfehler in der heimischen Corona-Bekämpfung halten: Erst fuhr die Regierung die Corona-Regeln im sommerlichen Leichtsinn stark zurück, dann reagierte sie auf die zweite Welle zu lasch und zögerlich. Als Folge stieg Österreich zwischenzeitlich zu einem der Covid-Hotspots Europas auf, erschreckend hohe Todeszahlen inklusive.
  2. Die Maßnahmen gegen die erste Welle haben ihren Zweck erfüllt (siehe Tops), sauber waren diese aber nicht: Der Verfassungsgerichtshof kippte das generelle Betretungsverbot für öffentliche Orte ebenso wie die selektive Öffnung von Geschäften bis zu einer bestimmten Größe. Der Kern des ersten Lockdowns war damit de facto rechtswidrig. Ob wegen Zeitdrucks, Unterbesetzung im Ministerium oder fachlicher Defizite: Legistischer Pfusch blieb ein Begleiter der zwangsläufigen Verordnungsflut aus Anschobers Ministerium.
  3. Auch wenn Anschober die aktuelle Impfquote – laut eigener Rechnung 20 Prozent der impfbaren Bevölkerung – als Erfolg hervorhebt: Bei der Beschaffung der Vakzine bewiesen der Minister und seine Beamten kein glückliches Händchen. So hat Österreichs Regierung besonders stark auf den Impfstoff von Astra Zeneca gesetzt, der mit Lieferschwierigkeiten unangenehm auffällt und obendrein wegen des (seltenen) Zusammenhangs mit Thrombosefällen verunsichert. Von der bis dato verlässlicheren Alternative von Biontech/Pfizer hat die Republik hingegen nicht die größtmögliche Bestellmenge ausgeschöpft. Das falsche Kalkül bremst die Impfkampagne und droht die Allgemeinheit teuer zu stehen zu kommen – in Form eines unnötig verlängerten Lockdowns. (Gerald John, 13.4.2021)