Knapp fünf Jahre ist es her, dass die beiden Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg mit ihrem Solarflugzeug in Abu Dhabi aufsetzten. Hinter ihnen lag eine Weltumrundung – das Flugzeug selbst verbrauchte dabei keinen einzigen Tropfen Kerosin. Rund 16 Stopps und 505 Tage inklusive Reparaturpausen brauchten sie für ihren Ausflug. Für den durchschnittlichen Urlaubs- und Geschäftsreisenden ist das eher unpraktikabel – aber darauf kommt es gar nicht an. Wie auch später Greta Thunberg mit ihrer Atlantiküberquerung per Segelboot ging es Piccard darum, Alternativen zu suchen und aufzuzeigen – und wohl auch ein bisschen um das Abenteuer.

Um einige Größenordnungen weniger abenteuerlich als die mehrtägigen Flüge im unbeheizten Cockpit ist Piccards jüngstes Projekt. Mit seiner Solar Impulse Foundation will er beweisen, dass Klimaschutz auch profitabel sein kann. Rund drei Jahre suchten er und sein Team nach Lösungen, die das Klima schützen und schon heute gewinnbringend einsetzbar sind. Rund 1.000 Projekte sind so zusammengekommen – vom ökologischen Beton und kompostierbaren Take-away-Verpackungen bis hin zur KI-gestützten Software, die Plastikmüll an Stränden erkennt.

Mit dem Flugzeug Solar Impulse umrundete Bertrand Piccard 2015 bis 2016 die Welt. Nun will er ausgereiftere Lösungen vorstellen.
Foto: Solar Impulse

Nur gewinnbringende Projekte

Immer wieder betont Piccard, dass es sich dabei um Projekte handelt, die sich schon jetzt finanziell auszahlen. "Wir müssen die Sprache derjenigen sprechen, die wir überzeugen wollen", sagt der studierte Psychotherapeut dem STANDARD. Und die wichtigsten Vokabeln in der Sprache der politischen Entscheidungsträger und Unternehmer seien eben: Geld und Arbeitsplätze.

Schwarzmalerei und Verzicht zu predigen hält Piccard für den falschen Weg. "Das ist seit 50 Jahren die Botschaft von grünen Parteien", sagt er, gebracht habe es wenig. Klimaschutz, so sein Anliegen, soll von Politik und Industrie nicht länger als Kostenpunkt, sondern als "fantastische Möglichkeit für Investments" wahrgenommen werden.

Konkret fordert er von der Politik, Umweltauflagen an den Stand der Technik anzupassen. Ein Beispiel: Das französische Start-up Antismog stellt eine Art Katalysator her, der sich nachträglich in Verbrennungsmotoren einbauen lässt. Mithilfe gezielter Wasserstoffeinspritzung soll sich der Ausstoß an Stickoxiden um 55 Prozent, der Benzinverbrauch um 20 Prozent reduzieren lassen. Eine findige Brückentechnologie, bis alle Fahrzeuge auf nachhaltige Antriebe umgestellt sind, möchte man meinen. Nur: Momentan müssten Motoren nach dem Umbau neu zugelassen werden – ein "schreckliches Hindernis", findet Piccard, das die Politik leicht beseitigen könne.

Solarflugzeugpionier Bertrand Piccard.
Foto: Philipp Böhlen

Auch gibt es bereits Pilotprojekte, bei denen Elektroautos ihren Strom von der Batterie zurück ins Netz speisen – eine Alternative zum Gaskraftwerk, das in Spitzenverbrauchszeiten anspringt. Flächendeckend ausgerollt ist dieses Konzept aber noch nicht, viele Stromversorger untersagen Elektroautobesitzern, Strom aus der Batterie ins Netz zu speisen.

Ökologisch zweifelhafte Sponsoren

Rund 350 Expertinnen und Experten haben die 1.000 Projekte nach drei Kriterien ausgewählt: Jedes einzelne Projekt müsse funktionieren, also kein vager Prototyp sein, während des gesamtes Lebenszyklus die Umwelt schützen und vor allem Geld sparen – und zwar schon jetzt. Mit politischen Maßnahmen wie einer CO2-Steuer würden sich aber mehr Projekte für Piccards Liste qualifizieren, gibt der Schweizer zu.

Finanziert wird Solar Impulse auch von Unternehmen, die man eher weniger mit Umweltschutz assoziiert, darunter Air France, Nestlé oder die Ölexplorationsfirma Schlumberger. Mitsprache bei der Bewertung der Projekte haben die Sponsoren nicht, versichert Piccard. Der Auswahlprozess wurde von der Wirtschaftsprüfungsagentur Ernest and Young zertifiziert.

Piccard will seine Liste im November bei der Weltklimakonferenz in Glasgow den Regierungsvertretern vorstellen und die "Ideen, die keiner kennt", in die Welt tragen. Dabei ist er auch Botschafter der Überzeugung, die Klimakrise vor allem mit technologischen Mitteln bekämpfen zu können, ohne sich groß einzuschränken. "Momentan koppeln wir Wohlstand an Produktion und Konsum", sagt er. "Dabei sollten wir statt immer mehr Produkten Effizienz verkaufen." Schluss ist jedenfalls noch lange nicht – rund 300 Projekte sind aktuell in der Pipeline, bis Sommer sollen es insgesamt 1.500 sein. (Philip Pramer, 14.4.2021)