Die Aktionsplattform "Salzburg fairantworten" will gegen die zunehmende Naturzerstörung antreten.

Es ist ein in Österreich bisher einmaliger Vorgang: Gesellschaftlich so unterschiedlich gewachsene Organisationen wie Alpenverein, Naturfreunde, Naturschutzbund, die Biobauern von Bio Austria und die 380-Kv-Freileitungsgegner Fairkabler haben sich offiziell zu einer Aktionsplattform zusammengeschlossen. "Salzburg fairantworten" repräsentiert damit rund 90.000 Mitglieder im ganzen Bundesland – immerhin rund ein Sechstel der Gesamtbevölkerung.

Diese Woche hat die neue Plattform den Salzburger Parteien ihre Grundsatzerklärung in Form eines achtseitigen Manifestes übergeben. Man sei "nicht länger bereit, Fehlentscheidungen auf allen Ebenen – Bund, Land und Gemeinden –, die sich auf den Lebensraum Salzburg oft unumkehrbar nachteilig auswirken, hinzunehmen", heißt es in der Präambel. Man sei auch nicht gewillt, sich "unerträglich lange vertrösten oder hinhalten zu lassen. Ab einem gewissen Punkt wird gekämpft."

Wie groß der angestaute Frust inzwischen ist, formuliert ein Plattformmitglied im STANDARD-Gespräch so: "Wenn es um den Bau und die Erhaltung tausender Kilometer hochalpiner Wanderwege, von Schutzhütten, den Schutz von Natur- und Umwelt oder der Produktion von Bio-Lebensmitteln geht, dürfen die Plattformvereine schon ihren Beitrag leisten. Bei Entscheidungen aber, die ihre Arbeit beeinflussen oder zunichtemachen, sollen sie schweigen. Damit ist Schluss."

"Angriff von Lobbyisten und Geschäftemachern"

Inhaltlich beziehen sich die fünf Organisationen in ihrem Manifest ausdrücklich auf den Philosophen Leopold Kohr und seine "Rückkehr zum menschlichen Maß". Politisch sehen sie sich in der Tradition der Gründer der Salzburger Grünen-Bewegung wie beispielsweise Richard Hörl oder Herbert Fux.

Wie einst zu Zeiten von Hörl und Fux in der Landeshauptstadt gehe nun "der Angriff von Lobbyisten und Geschäftemachern" auf Natur, Landschaft, Artenvielfalt und Schönheit auch außerhalb der Landeshauptstadt "unerträglich stark" weiter. "Der Kampf um die letzten Flächen hat begonnen."

Drei Kernthemen

Den politischen Parteien werden in dem Manifest drei Kernthemen unterbreitet. Die darin enthaltenen Forderungen werden in Salzburg seit Jahrzehnten debattiert, aus Sicht der Aktionsplattform offensichtlich ohne nennenswertes Ergebnis.

  • Direkte Demokratie: "Politische Entscheidungen ab einer bestimmten Eingriffstiefe in den Naturhaushalt dürfen nur mit der direkten demokratischen Mitbestimmung der Bevölkerung herbeigeführt werden", heißt es. Eine Forderung, der sich vor allem ÖVP und SPÖ in Salzburg seit Jahrzehnten mit aller Macht widersetzen. Aktuell versucht gerade die Stadt-ÖVP, eine Bürgerbefragung zur Erweiterung der Altstadtgaragen im Salzburger Mönchsberg zu verhindern, obschon die dafür laut Stadtrecht notwendigen Unterstützungserklärungen vorliegen.
  • Zersiedelung und Bodenverbrauch: "Flächenvergeudung, Versiegelung und Biotopzerstörung können wir uns nicht länger leisten", heißt es hier. Der Forderungsbogen spannt sich von überkommunaler Raumordnung auf Basis von Planungsverbänden bis hin zum Stopp für alle in Planung befindlichen Projekte für Hochspannungsfreileitungen. Aktuell brisantester Punkt ist freilich das geforderte Verbot von allen weiteren Zweitwohnsitzen und "Buy to let"-Modellen einschließlich des Verbots von Chaletdörfern und Aparthotels. Aktuell schießen besonders im Salzburger Pinzgau die Chaletdörfer aus dem Boden wie die sprichwörtlichen Schwammerln. Debattiert wird auch die Praxis, dass landwirtschaftliche Grundflächen von Nichtlandwirten für Bauzwecke im großen Stil aufgekauft werden.
  • Landwirtschaft, Tourismus und Erholung: Im Bereich Landwirtschaft wird neben dem Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln vor allem das Thema Einkommen der Landwirte in den Mittelpunkt gerückt. Unter anderem sollen öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser einheimische Produkte bevorzugt verwenden müssen. Für Nebenerwerbseinkünfte werden Landschaftspflegeverbände gefordert. Im Bereich Tourismus steht der Punkt "Moratorium für weitere Seilbahnen, Lifte und Pisten, aber auch für Bauvorhaben in sensiblen Landschaften und Seeufern", ganz oben auf der Liste.

Als nächsten Schritt will die Plattform zu einzelnen Themen inhaltliche Dossiers zu Einzelthemen präsentieren. Dies seien Dokumentationen und keine "Pressepapierln", wie einer der Beteiligten im STANDARD-Gespräch anmerkt. Bissiger Nachsatz: "Es ist sowohl Politikern und Politikerinnen als auch Journalisten und Journalistinnen zumutbar, wenn Meinung vertreten oder gebildet werden soll, mehr als eine DIN-A4-Seite zu lesen." (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 15.4.2021)