Ein Balkon oder gar ein eigener Garten: Das wünschen sich viele nach einem Jahr Corona-Pandemie.

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Das, was viele sich vom Leben auf dem Land versprechen, gibt es rund um Wien nur noch mit ganz viel Glück: das sanierungsbedürftige Einfamilienhaus nämlich, das beim Kauf ein Schnäppchen ist – und sich dann mit ein paar Tricks und Kniffen in ein Traumhaus verwandeln lässt.

Die Immobilienmaklerin Roswitha Adler von Michael Bajer Immobilien verkauft laut eigenen Angaben die meisten Häuser in der Gemeinde Wienerwald im Bezirk Mödling. Wer hier eine Immobilie suche, rufe am Ende oft bei ihr an: "Sie haben alle die Hoffnung, dass ich etwas für sie habe, aber ich muss die meisten enttäuschen", sagt Adler. Denn wer nicht verkaufen muss, der tut das derzeit auch nicht. Einfamilienhäuser sind daher nur sehr wenige auf dem Markt, Grundstücke noch einmal seltener. Und um sie rittern nicht nur private Hauskäufer, sondern auch Bauträger. Um 15 bis 20 Prozent, schätzt Adler, sind die Preise seit Ausbruch der Corona-Krise hier gestiegen. Anders gesagt: "Hier könnte man derzeit jeden Pferdestall zu enormen Preisen verkaufen."

Unlängst, erzählt Adler, habe sie eine Gartenwohnung in Vösendorf in drei Tagen verkauft und drei Doppelhaushälften in Pressbaum innerhalb eines Monats. Neben den exorbitant gestiegenen Preisen beobachtet Roswitha Adler aber noch eine weitere Entwicklung: "Die Wohnfläche ist nicht mehr so wichtig." Vor fünf Jahren hätte niemand eine halbe Million Euro für ein Haus mit nur 110 Quadratmetern Wohnfläche in der Gemeinde bezahlt. "Heute ist das unwichtig. Hauptsache, es gibt Freiflächen", sagt die Maklerin. Auch Doppelhaushälften und Reihenhäuser seien heute gefragter als noch vor eineinhalb Jahren.

Junge Hauskäufer

Die Wohnungssuchenden sind hauptsächlich Jungfamilien aus Wien, doch es gibt auch Menschen aus der Umgebung, die bisher in Mietwohnungen gelebt haben. "Manche haben Angst vor einem Euro-Crash, und sie merken, dass das Geld auf der Bank oder unter der Matratze weniger wert wird", sagt Adler. Sie erzählt auch von 24-Jährigen, die sich mittels Kreditfinanzierung ein Einfamilienhaus ermöglichen: "Ich hatte früher kaum 24-jährige Kunden, die sich ein Eigenheim gekauft haben."

Auch die Arbeitssituation hat sich bei manchen durch Corona geändert: Viele sitzen seit einem Jahr im Homeoffice. Und manche Betriebe haben jetzt schon beschlossen, dass Angestellte auch nach der Pandemie nicht mehr jeden Tag ins Büro kommen müssen. Das eröffnet neue Möglichkeiten: "Die Menschen nehmen deutlich längere Anfahrtszeiten in die Arbeit in Kauf als früher, um dafür an der frischen Luft wohnen zu können", sagt Adler.

Auch der Immobilienmakler Oliver Badura, Geschäftsführer von Badura Immobilien mit Sitz in Schwechat, hat Immobilien im Speckgürtel rund um Wien im Angebot. Alles, was innerhalb von 45 bis 50 Minuten aus Wien erreichbar sei, sei gefragt – egal in welcher Himmelsrichtung. Großes Thema sei aber immer die öffentliche Anbindung. "Ein Bahnhof in der Nähe mit einer Verbindung nach Wien macht eine Immobilie noch interessanter", sagt der Makler.

Große Nachfrage an Baugründen

Seit kurzem hat er ein Einfamilienhaus in Enzersdorf an der Fischa im Angebot. Innerhalb weniger Tage hatte er bereits acht Besichtigungen. "Erst sagt der Einheimische: Der Preis ist zu hoch. Dann kommt der Wiener und sagt: Wo darf ich unterschreiben?" So fasst Badura die Situation am Markt derzeit zusammen.

Innerhalb von 14 Tagen hat Badura zuletzt Häuser verkauft. Immer wieder gebe es auch Bieterstreite, wenn es gleich mehrere Interessenten gibt. Ein Haus sei dann auch schon einmal um 40.000 Euro höher als der Angebotspreis verkauft worden: "Das sorgt natürlich für Unmut, aber ich kann ein Haus halt nicht vierteln", so Badura.

Immer gefragt seien Einfamilienhäuser um 400.000 bis 500.000 Euro. Noch einmal größer sei die Nachfrage aber bei Baugründen, "da flattern fast täglich Anfragen rein", erzählt er.

Raus aus der Stadt

Manchmal ist bei der Suche nach dem passenden Zuhause auch ein wenig Geduld nötig: "Wir haben eine Vormerkliste von Kunden, die raus aus der Stadt wollen", sagt Badura. Er betont aber, dass es diesen Trend auch vor Corona schon gegeben hat.

Nicht alle Preise, die verlangt werden, sind am Ende auch gerechtfertigt: "Es gibt schon Häuser, bei denen mehr bezahlt wird, als sie wert sind. Manche glauben auch, sie können nur wegen Corona viel mehr verlangen. So ist es aber auch nicht", sagt Badura. Allerdings gebe es Verkäuferinnen und Verkäufer, die beratungsresistent sind. "Aber solche Objekte werden dann Ladenhüter", sagt der Makler. "Manche glauben eben, sie sind gescheiter als der Markt – und als die Kunden." Nicht zuletzt bewerte ja auch die Bank ein Objekt, "und die schauen jetzt noch genauer hin".

Günstige Pflaster

Mit dem Wiener Speckgürtel haben sich auch die Analysten von Price Hubble, einem auf Immobilien- und Standortanalysen spezialisierten Unternehmen, beschäftigt. Dabei wurde ermittelt, welche Gemeinden von Wien aus gut erreichbar und vergleichsweise günstig sind. Das sind beispielsweise Edlitz, Thomasberg, Pernitz, Kaumberg in Lilienfeld und Neustift-Innermanzing.

Die Gemeinden im Speckgürtel würden vom Wandel profitieren, wenn mehr in den Ausbau ihrer Infrastrukturen investiert wird und neue Wohnquartiere entstehen, meint Jörg Buß, Geschäftsführer von Price Hubble Österreich. Das werde weitere Investoren und Projektentwickler anziehen.

Und auch die privaten Hauskäufer, die weiter von ihrem eigenen kleinen Bastlerhit träumen. (Franziska Zoidl, 18.4.2021)