Gemäß § 1170b ABGB hat ein Bauunternehmer gegenüber einem Auftraggeber, der kein Konsument ist, ab Vertragsabschluss Anspruch auf eine Sicherstellung "für das noch ausstehende Entgelt" in Höhe von 20 Prozent des vereinbarten Entgelts.

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Der Sachverhalt ist rasch erzählt: Ein Bauunternehmer erhielt einen Bauauftrag über rund sechs Millionen Euro. Es kam zu einigen Zusatzleistungen, wobei das darauf entfallende Entgelt strittig blieb. Nach der Übergabe des Bauwerks waren noch Mängelarbeiten zu erledigen, weshalb der Auftraggeber 150.000 Euro an Werklohn zurückbehielt.

Der Bauunternehmer wollte dies nicht hinnehmen und entsann sich der "Bauhandwerkersicherstellung". Gemäß § 1170b ABGB hat ein Bauunternehmer gegenüber einem Auftraggeber, der kein Konsument ist, ab Vertragsabschluss Anspruch auf eine Sicherstellung "für das noch ausstehende Entgelt" in Höhe von 20 Prozent des vereinbarten Entgelts.

Kommt der Besteller dem Sicherstellungsverlangen nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann der Bauunternehmer die Erbringung seiner Leistung verweigern und den Vertrag auflösen (§ 1168 Abs 2 ABGB). Damit sollen Bauunternehmer vor der Insolvenz des Auftraggebers geschützt werden.

Rücktritt vom Vertrag

Bonitätsbedenken gab es in diesem Fall nicht. Als der Auftraggeber die dennoch verlangte Sicherstellung nicht umgehend leistete, trat der Unternehmer vom Vertrag zurück und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Eigenersparnis der ausstehenden Mängelbehebungsarbeiten nur 15.000 Euro betrage. Er klagte 135.000 Euro ein.

Das Oberlandesgericht Wien wies die Klage ab (4 R 118/20g). Bei einem Außenstand von nur 2,5 Prozent des Gesamtentgelts bei halbherzigen Mängelbehebungen und fehlenden Bonitätsbedenken müsse das verbleibende Sicherstellungsinteresse des Bauunternehmers in den Hintergrund treten.

Das Bauunternehmen würde sich auf diesem Weg bequem seiner Verpflichtungen zur Mängelbehebung entledigen. Das laufe auf eine missbräuchliche Forderung auf Sicherstellung hinaus.

Der Fall ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Das OLG ließ die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zu, weil "die Beurteilung des hier gestellten Sicherungsverlangens vor dem Hintergrund der sich entwickelten Praxis in der Baubranche, eine Sicherstellung nach § 1170b ABGB nicht zum Schutz vor Insolvenzrisiken zu stellen, sondern diese Bestimmung als Schlupfloch aus dem Vertrag bei gleichzeitiger Einforderung eines eingeschränkten Werklohns gleichsam als ,Reißleine‘ zu missbrauchen, von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist."

Die Entscheidung des OGH sowie die weitere Rechtsentwicklung bleiben mit Spannung abzuwarten. (Michael Hule, Martin Frenzel, 15.4.2021)