Eigentlich müsste der neue Gesundheitsminister dem burgenländischen Landeshauptmann erklären, dass es ein gefährlicher Unfug ist, ausgerechnet jetzt die Maßnahmen zu lockern. Wolfgang Mückstein müsste Hans Peter Doskozil die Stirn bieten, er müsste ihm die Situation in den Intensivstationen vor Augen führen, er müsste ihn zu überreden und zu überzeugen versuchen. Er dürfte den Konflikt nicht scheuen. Er müsste Verbündete suchen, in anderen Bundesländern, in der SPÖ, beim Koalitionspartner. Er müsste Versprechungen machen und Drohungen in den Raum stellen, er müsste die Macht, die Eitelkeit und den Starrsinn des burgenländischen Landeshauptmanns bedenken und schauen, wie er den herumkriegt, ohne dass der sein Gesicht verliert. Darum geht es letztendlich bei vielen Entscheidungen, die den Wirkungsbereich der Landeshauptleute betreffen.

Wolfgang Mückstein wird am Montag angelobt.
Foto: Heribert CORN

Aber Wolfgang Mückstein wird erst am kommenden Montag angelobt. Die große Frage ist: Kann er das überhaupt?

Sein Vorteil: Er ist Mediziner und daher vom Fach, was Fragen der Gesundheit anbelangt. Die stehen im Augenblick im Vordergrund.

Sein großer Nachteil: Er hat keine politische Erfahrung. In dieser Situation bräuchte es einen gestandenen Politiker, der die Abläufe, Mechanismen und Personen kennt.

Verhandlungsgeschick

Dass Mückstein über politische Erfahrung verfüge, weil er in der Ärztekammer aktiv war, wie Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler argumentiert, ist hanebüchener Unsinn. Eine nebenberufliche Tätigkeit als Standesvertreter lässt sich nicht mit der Leitung eines derart riesigen und weit verzweigten Ministeriums wie desjenigen, das Mückstein übernehmen soll, vergleichen: Gesundheit, Soziales, Pflege, Konsumentenschutz und Tierschutz – mit eigennützigen Seilschaften, die zumindest drei Parteien dort hinterlassen haben. Das ist schon in normalen Zeiten eine schwierige und zeitraubende Aufgabe. In einer Phase der Pandemiebekämpfung ist diese Häufung an Kompetenzen und Verantwortung schlichtweg absurd – und muss vom neuen Regierungsmitglied dennoch bewältigt werden.

Aber von Mückstein wird in erster Linie wohl erwartet, dass er sich der Bekämpfung der Pandemie widmet und alles andere erst einmal zur Seite schiebt. Dass man auch als Politprofi mit Bundesländererfahrung an der Macht und dem Eigensinn der Landeshauptleute scheitern kann, hat Rudi Anschober bewiesen. Vielleicht ist es sogar von Vorteil, wenn jemand außerhalb der Strukturen und Traditionen den Weg antritt und den Landeschefs etwas weniger demütig und unterwürfig begegnet.

Mückstein hat jedenfalls Verhandlungsgeschick, und er kann mit Widerstand umgehen. Der Aufbau seiner Gruppenpraxis in Wien war Pionierarbeit, allen Anfeindungen zum Trotz läuft sie nicht nur erfolgreich, sondern gilt mittlerweile als Vorbild einer effizienten und modernen Arztpraxis.

Es wird an Werner Kogler liegen, Mückstein gegen die An- und Untergriffe des Koalitionspartners abzuschirmen und ihm politischen Flankenschutz zu geben. Mückstein wird viele und gute Berater brauchen. Seine politische Unerfahrenheit muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Er könnte mit einer unkonventionellen Herangehensweise, der notwendigen Entschlossenheit und seiner Expertise als Arzt punkten – den Ländern und der Volkspartei zum Trotz. (Michael Völker, 14.4.2021)