Man könnte ihn fast übersehen, den Eingang zu Wiens neuem Automatensupermarkt mit seiner rot umrandeten Auslage in der Hernalser Hauptstraße im 17. Bezirk. Es ist der erste seiner Art in Wien, Salzburg hat schon länger einen. In Hightech-Nationen wie Japan gehören sie ohnehin zum Alltag. "24 Stunden geöffnet", steht über der gläsernen Schiebetür. Drinnen reiht sich nüchtern Automat an Automat, in den Kühlschränken sind die Produkte übersichtlich aufgereiht. Weniger Inszenierung geht fast nicht.

Das Gebotene kann sich trotzdem sehen lassen. 18 Euro kostet die Packung Krokodilfleisch, 30 Euro 300 Gramm Wagyu-Rind, Sekt, Softdrinks, Bier, Süßigkeiten, Sandwiches, Punschkrapferln werden zu Tankstellenpreisen offeriert. Ganz hinten im schummrig beleuchteten Geschäftslokal steht ein Bitcoin-Automat, daneben finden sich Erotikspielzeuge, apart in Säckchen mit Herzchenaufdruck verpackt.

Ein untrügliches Zeichen der Zeit: Auch Schutzmasken sind aus dem Automaten zu beziehen. Daneben gibt es aber auch nettere Produkte wie Blumen oder bequeme Schuhe.
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Eigentümerin Diana Duschek hat 150.000 Euro in das Geschäft investiert und sucht nach Plätzchen für weitere Filialen von Servicebob. Bis zum Sommer will sie drei weitere Automatensupermärkte in Wien aufsperren. "Menschen, die am Sonntag grillen oder ein Präsent organisieren wollen, jemand, dem noch etwas für das Frühstück fehlt", das sind die Kunden, die der studierten Betriebswirtin vorschweben.

Attraktive Öffnungszeiten

Das Interesse am Sonntagnachmittag ist groß. Florian und Michael, zwei in Hoodies und Sneaker gekleidete Burschen, sind erstaunt: "Das ist größer, als ich gedacht habe", sagt Florian. Die beiden 17-Jährigen finden diese Art von Einkaufsmöglichkeit "super, wo doch am Sonntag der Lebensmittelhandel geschlossen ist". Der Altersdurchschnitt der Besucher liegt weit unter 30. Für ihn sei das nicht das Richtige, schüttelt ein junger Mann mit grüner "Bio macht schön"-Tasche über der Schulter den Kopf.

Wer aufmerksam durchs Leben geht, stellt derzeit besonders viele Veränderungen fest. Da neue Getränkeautomaten anstelle des kleinen Lebensmittelgeschäfts, dort ein neuer Pizzaautomat. Die Pandemie beschleunigt, was seit Jahren im Umbruch ist. Wenn die Verbraucher nicht im Geschäft einkaufen oder im Restaurant essen können, kaufen sie via Internet ein, lassen sich ihre Lebensmittel ins Haus liefern wie Pizza und Co schon davor. Nun nutzen sie zusätzlich verstärkt neue oder alte Automaten.

In Deutschland hat im Vorjahr der Klopapierproduzent Hakle auf die Hamsterkäufe mit einem Automaten reagiert.
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Seit Jahrzehnten gibt es diese Selbstbedienungsmaschinen, in den USA waren Automatenrestaurants beliebte Vorläufer von Fastfoodketten wie McDonald's. Das Angebot wird vielfältiger, Automaten halten mittlerweile neben Zigaretten, Snacks und Softdrinks auch Hanfsamen, CBD Produkte Prosecco, Blumen, Steaks, bequeme Ballerinas statt High Heels für gequälte Füße oder Windeln und Pflaster bereit.

Die Bistrobox mit Pizza, Sandwiches und Getränken im Angebot berichtet von großem Zuspruch in Zeiten der Pandemie. Allein im Jänner und Februar haben sich die Verkäufe an den 32 Standorten im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Für 300 Standorte sieht Mitgründer Klaus Haberl Potenzial. 2020 brachte man eine Million Pizzen, Snacks und Getränke an die Konsumenten. Wer mobil ist, fährt aufs Land und nutzt die von landwirtschaftlichen Erzeugern mit Eiern, Milch und Würsten bestückten Maschinen. Ist die Zahl mit rund zweitausend reinen Lebensmittelautomaten auch überschaubar, seien sie beim Ab-Hof-Verkauf zuletzt am stärksten gewachsen, sagt Peter Schmidt.

Kaffeeautomat statt Kantine

150.000 Automaten gibt es in Österreich, vor zehn Jahren waren es einige Hundert weniger, so der Präsident der Verkaufsautomaten-Vereinigung. 100.000 liefern Kaffee, der Rest hauptsächlich Getränke und Snacks. Die meisten stehen in Industriebetrieben und haben dort Kantinen abgelöst, sagt Schmidt: "Wenn ich ein Gehalt zahlen muss, brauche ich andere Umsätze."

750 Millionen Euro werden im Jahr mit Automaten erwirtschaftet, im Vergleich zu den im Einzelhandel umgesetzten Milliarden Peanuts, aber es wird stetig mehr. Vor Corona lag das Wachstum jährlich bei rund fünf Prozent. Umsatz, der im Handel fehlt. Deswegen werden Automaten durchaus skeptisch beäugt, sagt Oskar Wawschinek, Berater im Food-Business. Automatenbetreiber müssen sich um Öffnungszeiten und Arbeitszeitgesetze nicht kümmern. Die Konsumenten schätzen die Verfügbarkeit. Zum Zeitgeist, "alles gleich und sofort zu wollen", passe das, so Wawschinek.

Dieser Grillfleischautomat steht in Deutschland. Hierzulande bieten immer mehr landwirtschaftliche Erzeuger ihre Produkte in solchen Selbstbedienungsapparaten an.
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Schmidt ortet einen weiteren Grund für die steigende Nutzung. Konsumenten würden versierter im Umgang. Shoppen oder Geldgeschäfte erledigen: "Smartphones haben viel dazu beigetragen, dass wir geschickter in Sachen Selbstbedienung geworden sind", sagt Schmidt. Routineaufgaben würden immer mehr automatisiert.

Ein heiß diskutiertes Thema, seit der Ökonom Carl Benedikt Frey 2013 die Fachwelt aufscheuchte, als er in seiner berühmten Studie zum Schluss kam, dass in den USA in den kommenden Jahrzehnten fast die Hälfte aller Jobs von Robotern übernommen würde.

Wifo-Forscherin Julia Bock-Schappelwein beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, inwieweit Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitswelt verändern. Eine große Bedrohung für die Jobwelt sind die genannten Automaten wohl nicht. Digitalisierung und Automatisierung hinterlassen aber schon lange Spuren. Bei der Produktion in der Sachgütererzeugung seien durch Automatisierung schon in der Vergangenheit viele Jobs weggebrochen. Der Anteil der Arbeitsplätze mit überwiegend Routinetätigkeiten veränderte sich in den letzten Jahren kaum. Allerdings verlagerte sich die Struktur weg von Berufen mit überwiegend manuellen Tätigkeiten zu nichtmanuellen. Letztere machten 2018 mit knapp 2,3 Millionen Arbeitskräften rund 60 Prozent der Beschäftigung aus, um gut zehn Prozentpunkte mehr als Mitte der 1990er-Jahre. Damals war das Verhältnis fast ausgeglichen.

Pandemie als Treiber

Digitalisierung kommt jetzt obendrauf. Corona wird wohl ein weiterer Treiber sein. Bock-Schappelwein erwartet vor allem im Dienstleistungsbereich Veränderungen: Im Tourismus muss das Onlinebuchungssystem serviciert werden, Reinigungskräfte werden mit Tablets ausgerüstet. Und wie lange wird es nun die Kassierin im Supermarkt noch geben? "Kommt auf neue Technologien und das Konsumentenverhalten an", sagt Bock-Schappelwein und schiebt nach: "Die in den vergangenen Monaten erzwungene Selbstermächtigung in Sachen Technologienutzung wird wohl dank Corona einen mächtigen Boost erzeugen." Und während Selbstscannen an der Kassa oft auf wenig Begeisterung bei Konsumenten stößt, könnte ein Supermarkt ganz ohne Kassa den Komfort steigern. Nachahmer von Amazons vollautomatisiertem Supermarkt gibt es etwa schon in Deutschland. Hierzulande tastet sich der Diskonter Hofer auf diesem Weg vor. (Regina Bruckner, 15.4.2021)