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Seit sie den Missbrauch durch Harvey Weinstein öffentlich machte, tritt Schauspielerin McGowan als Aktivistin auf.

Foto: AP/Paul Sancya

Zu Hollywood hat Rose McGowan nie richtig gepasst. Zumindest nicht, wenn es darum geht, das Klischee des Mädchens von nebenan zu erfüllen. Mit der Rolle der pflichtbewussten Hexe Paige in der Serie "Charmed", die ihr zu breiter Bekanntheit verhalf, hatte die heute 47-Jährige nämlich nie viel gemein. Schon damals überraschte sie die jungen, vorrangig weiblichen Fans der Serie mit der drei Jahre andauernden Beziehung zu Rockmusiker Marilyn Manson. Die Verbindung des schrillen Rockstars (inzwischen ist er mit mehreren Vorwürfen wegen sexualisierter Gewalt konfrontiert) mit der jungen Schauspielerin wirkte für viele skurril. Provokante Auftritte in kurzen, engen Kleidern taten ihr Übriges: Für die Medien mitten in der Paparazzi-Hochphase der Nullerjahre war McGowan fortan das Gegenteil ihrer Serienrolle Paige – nämlich das böse Mädchen, die Sexbombe.

Gegen den medialen Sexismus und die Zuschreibungen von außen konnte sich die Schauspielerin lange nicht wehren. Sie wollte als Rebellin provozieren und spielte auch damit, eben nicht das nette Mädchen von nebenan zu sein. Auf ein Sexsymbol wollte sie aber nicht reduziert werden. Die Beurteilung durch Medien und Öffentlichkeit empfand sie als unfair und brutal. Am Ende ihrer Karriere habe sie sich deshalb wie eine Barbie gefühlt, um dem Idealtyp der Filmindustrie zu entsprechen, schreibt McGowan in ihrer Autobiografie "Mutig" (HarperCollins, 2018).

Von einer Sekte zur nächsten

Mit Rückschlägen hatte die Schauspielerin schon ihre ganzes Leben zu kämpfen. In der Sekte "Kinder Gottes" in Italien aufgewachsen, hatte sie schon in jungen Jahren Erniedrigung und körperliche Züchtigung erfahren. Nachdem ihre Familie geflohen und in die USA ausgewandert war, lebte McGowan mit 15 auf der Straße und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bis sie erste Jobs in der Filmbranche bekam. "Mein Leben hat mich von einer gefährlichen Sekte zur nächsten geführt, zu einer der größten aller Sekten: nach Hollywood", heißt es in ihrem Buch.

Erst spät in ihrer Karriere gelang es ihr, das Narrativ um ihre Person selbst zu bestimmen. 2017 machte sie ihre Missbrauchserfahrungen in der Filmindustrie öffentlich und trat gemeinsam mit anderen Aktivistinnen die #MeToo-Welle los. Als eine der Ersten erzählte sie öffentlich davon, dass der einflussreiche Filmproduzent Harvey Weinstein sie als junge Schauspielerin vergewaltigt hatte.

2018 ermöglichte sie in ihrem Buch den Blick auf die nicht so sichtbaren Seiten Hollywoods: auf jene, in denen junge Schauspielerinnen schön, sexy und aufreizend sein müssen, um von männlichen Entscheidungsträgern angestellt zu werden. Die Bewertungen bei Castings empfand McGowan als demütigend. Sie klagt auch Agent*innen und Pressereferent*innen als "Mittäter*innen" an, die jungen Frauen weismachen würden, Männer würden ihnen nur dann Rollen geben, wenn sie so aussehen, dass diese mit ihnen schlafen wollen.

Kampf gegen systembedingte Frauenfeindlichkeit

McGowan schreckt nicht vor klaren Aussagen zurück und eckt damit auch an. So kritisierte sie etwa Filmgrößen wie Meryl Streep und Natalie Portmann dafür, zwar öffentlichkeitswirksam in schwarzen Roben bei Preisverleihungen erschienen zu sein, um auf Sexismus aufmerksam zu machen, aber in der Praxis wenig gegen die Ungerechtigkeiten zu unternehmen, die vor allem aufstrebende Künstlerinnen treffen. Im Internet sind zudem zahlreiche Videos davon zu finden, wie sich McGowan lautstark mit anderen Aktivistinnen streitet. Im sonst so liberalen Hollywood fiel es ihr schwer, Verbündete zu finden. Auch Medien hätten nie gewusst, was sie mit ihr und ihren aggressiven Aussagen anfangen sollten, meint McGowan. Deshalb sei sie als schwierig abgestempelt worden.

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Rose McGowan mit der Schauspielerin Asia Argento am Frauentag 2018 in Rom. Auch Argento warf Weinstein sexualisierte Gewalt gegen sie vor.
Foto: AP/Alessandra Tarantino

Ihrer Karriere hat ihr Auftreten jedenfalls sichtlich geschadet. Seit 2017 hat sie keine nennenswerten Rollen mehr in Film oder Fernsehen bekommen. Schon zuvor habe Weinstein ihre Chancen in der Branche geschmälert, meint McGowan. Viel früher wollte sie eigentlich schon ihre Missbrauchserfahrungen öffentlich machen. Alle, mit denen sie darüber gesprochen hatte, hätten ihr aber zu verstehen gegeben, dass sie keine Chance habe und dem mächtigen Filmmogul nichts passieren würden. Schon damals, Ende der Neunziger- und in den Nullerjahren, war die Liste der Opfer Weinsteins lang, und viele fürchteten seinen Einfluss. Die mutmaßliche Vergewaltigung McGowans war 1997.

Mit der Verurteilung Weinsteins ist es für die Aktivistin aber nicht getan. Sie prangert an, dass die Strukturen Hollywoods Täter und nicht Opfer schützen. Die systembedingte Frauenfeindlichkeit beginne schon damit, dass Geschichten nur von Männern erzählt würden, sagt sie in "Mutig".

Ein Tweet von Rose McGowan, nachdem der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo wegen Belästigungsvorwürfen zurückgetreten ist.

Auf die Medien, von denen sie sich immer missverstanden fühlte, ist McGowan nun nicht mehr angewiesen. In sozialen Medien kann sie den Kampf für Frauenrechte so laut, aggressiv und wütend fortsetzen, wie sie will. (Davina Brunnbauer, 3.9.2021)